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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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ihres Vaters, daß ihre Mutter plötzlich und unerwartet verstorben sei. »Ich war in England«, sagt sie. »In einem Internat. Ich wollte gern zurück, aber mein Vater hielt es für besser, daß ich in England blieb, solange Krieg war.«
    Der Mann nickt und greift zu seinen Zigaretten. Er bietet Charlotte eine an. Sie schaut sich kurz angespannt um und nimmt dann eine Zigarette aus der Schachtel. Er gibt ihr Feuer. Charlotte inhaliert den Rauch.
    Sie rauchen schweigend und blicken dem letzten Handkarren hinterher, der vom Kai rollt. Die Türen der großen Lagerhalle werden geschlossen und mit einer Eisenkette und einem Vorhängeschloß gesichert. Ein barfüßiger Junge, der eine Kiste mit Mohrrüben auf dem Kopf trägt, läuft singend vorbei. In der Ferne ertönt eine Schiffssirene, und ein Schwarm Vögel fliegt zwitschernd über sie hinweg. Es ist die erste Zigarette, die sie raucht, seit sie England verlassen hat. Nie mehr will sie zurück in dieses Land, wo es immer regnet, wo die Häuser dunkel und kalt sind und niemand lacht.
    »Haben Sie Hunger?«
    »Ein bißchen«, sagt Charlotte, die das Frühstück ausgelassen hat vor lauter Aufregung, endlich wieder in Indien zu sein. Sie nimmt ihren Koffer und sagt: »Ich muß erst zum Schiffskontor, denke ich. Mein Vater kommt sicher bald, sonst weiß er nicht, daß ich schon da bin.«
    Hinter dem Schalter sitzt ein grauhaariger Mann mit einer dicken Brille, umgeben von Tausenden dicken Mappen voller vergilbter Papiere. »Hängen Sie einfach einen Zettel an«, sagt er und deutet auf eine große Tafel am Eingang, die voll ist mit Nachrichten von verlorengegangenen Reisenden und vergebens erschienenen Abholern. Charlotte hängt ihre Nachricht dazu.
     
    Sie gehen nebeneinander. Der Hauptmann, der leicht hinkt, trägt ihren Koffer. Er wagt sie nicht anzusehen und sie ihn nicht. Sie hat bemerkt, daß ihm ein kleiner Finger fehlt, aber ansonsten findet sie ihn sehr anziehend. Er hat dunkle Augen, eine gerade Nase und am Kinn ein Grübchen wie Cary Grant. Er hat einen kultivierten Duft, den sie noch nie bei einem Mann gerochen hat. Nicht, daß Charlotte oft die Gelegenheit gehabt hätte, den Geruch von Männern wahrzunehmen, dafür war das Regiment im Internat zu streng, nur manchmal in den langen, einsamen Schulferien bekam sie die Chance dazu.
    Im vergangenen Sommer streifte sie, wie immer in den Ferien, allein über das Gelände und lernte dabei Perry kennen, den Sohn des Gärtners. Er hatte ihr das Rauchen beigebracht und das Radfahren, bis sie gestürzt war und sich das Knie aufgeschürft hatte. Mrs. Blackburn, die Direktorin, hatte ihr die Geschichte, sie sei von einem Tritthocker gefallen, nicht abgenommen und ihr verboten, das Schulgelände noch einmal zu verlassen. Perry kannte jedoch mehr Plätze auf dem Gelände als Mrs. Blackburn, und sie trafen sich jeden Tag, um zusammen zu rauchen. Bis der Gärtner sie erwischte, als sein Sohn ihr Unterricht im Küssen gab. Er schickte den Jungen zu einem Onkel, der in fünfzig Kilometer Entfernung lebte, weil er Angst hatte, entlassen zu werden. Der Rest der Ferien war so einsam und trostlos gewesen wie alle Ferien in den vergangenen neun Jahren. Tagsüber las sie Bücher oder schlug Bälle gegen die Schulmauer. Abends aß sie allein in dem leeren Speisesaal unter dem riesigen Gemälde der Königin Victoria. Charlotte hatte nie verstanden, warum sie nicht wie ihre Klassenkameraden für einen Monat zurück nach Indien oder bei einem Onkel oder einer Tante in England wohnen durfte, aber ihr Vater hatte ihr geschrieben, daß er keine Verwandten in Großbritannien habe und daß die Schwester ihrer Mutter nichts mehr mit ihnen zu tun haben wolle, seit ihre Mutter an Schwarzwasserfieber gestorben sei. Charlotte hatte einmal versucht, die Tante in Glasgow anzurufen, aber die Telefonistin hatte gesagt, daß die Nummer nicht existiere und es unter diesem Namen auch keine anderen Telefonanschlüsse gebe.
    »Sollen wir hier etwas essen?« fragt der Hauptmann und deutet auf ein einfaches Lokal an einer Straßenecke.
    »Solange kein Gemälde von Königin Victoria an der Wand hängt, ist mir alles recht.«
    »In den letzten Jahren sieht man immer weniger Gemälde der königlichen Familie«, sagt der Hauptmann ernst.
     
    Wie schön sie ist, denkt er. Die langen Haare fallen ihr auf die Schultern, ihre Augen strahlen, ihre Lippen sind vollkommen, und ihr Lachen klingt hell. Es sieht drollig aus, wie sie alles mit großen Augen bestaunt. Für

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