Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
Vom Netzwerk:
Drogen. – Viele Wörterbücher erläutern »selbstlos« fälschlich nur mit »altruistisch«, aber selbstlos kann auch der Henker sein.
Loswerden
    Ich traf das Wort »Loswerden« erst spät am Abend in einer Bar in München in der Nähe des Schellingsalons. Es hatte eine Mappe mit sämtlichen neuerdings erfaßten Bedeutungen bei sich, tat ein wenig affektiert und freute sich sichtlich darüber, daß jetzt jedermann und alle Welt etwas loswerden wollten. Um mit einem Wortscherz zu beginnen, wollte ich gleich die Frage loswerden, ob es gleichbedeutende Wörter in anderen Sprachen gebe. Die Frage überschreite seine Zuständigkeit und Kompetenz, antwortete das Wort, es könne nur für sich selbst sprechen, Loswerden, tout court , aber im Deutschen sei das Imperium beträchtlich. Und nun begann ein langes Gespräch über Leute, die ihre Krankheiten, Schulden, ihre Verantwortung, ihre mißratenen Kinder, eigentlich ihre ganze eigene Geschichte schlicht und einfach loswerden wollten, wegätzen, die Erst-, danach die Zweit- oder Drittfrau, weg damit, aber wohin? Wir lachten und bestellten ein drittes Glas Rotwein. Es folgte ein langer Monolog des Wortes »Loswerden«; es sprach sichtlich bewegt darüber, daß immer mehr Menschen das ihnen Nächste, die Eltern und die Geschwister und am Ende sich selbst loswerden wollen. Lange wurde über die neueren Hirnforscher gesprochen, die offenbarsich selbst und ihr Denken und ihre Verantwortung loswerden und an ihr Gehirn delegieren möchten, »Ich bin mein Gehirn«, nicht »cogito«, sondern »cogitor«, aber auch der Papst möchte sein »cogito« loswerden und nicht denken, sondern gedacht werden, »cogitor«, kein Dunst von unten, sondern ein Hauch von oben, und fort ist das verantwortliche Ich. – »Was ist mit der fortgeschrittenen und ausdifferenzierten Moderne los, daß so viele Jugendliche und Erwachsene sich selbst loswerden möchten? Sie wollen diese ihre eigene Existenz nicht – da steht einem doch der Verstand still! Ist denn das überhaupt möglich – die Menschen werfen sich selbst weg! Warum tut die Menschheit nichts, die doch so viel kann und damit angibt und das alles zu verantworten hat?« »Menschheit?« Ich versuchte dem Wort »Loswerden« zu erklären, daß es die Menschheit zwar gibt, aber dann doch nicht gibt; es sei kein zu einem Handeln befähigtes Subjekt, sondern nur ein Hinterher- oder Betrachterbegriff. Selbst tun könne die Menschheit jedoch nichts. »Vieles, was die Menschheit getan hat, möchte sie jetzt wieder loswerden!« »Die Menschheit hat nichts getan, es waren immer nur Nebenfiguren und der allgemeine Übersteigerungszwang!« Vor uns lag eine Zeitung mit den letzten Naturkatastrophen, die Schlagzeile »Will die Erde uns loswerden?«. Die Erde, die Menschheit, wer will wen loswerden? Aber da war es schon weit nach Mitternacht; das Wort »Loswerden« wollte zahlen, weil ich das Gespräch angeregt hatte, kam ich ihm zuvor.
Versuchte Vernichtung durch
einfache Nachfrage
    Â»Und wer sind Sie denn eigentlich?« Oder auch: »Wer sind Sie eigentlich?« Oder auch: »Ach, das kennen Sie nicht?«
    Oder auch: »Ja, schon, aber das Eigentliche, das, worauf es ankommt, ist etwas ganz anderes.«
1, 2, 3/4
    Platon, Timaios : »Einer, zwei, drei! Wo aber, lieber Timaios, blieb uns der vierte?« Sprüche 30, 18: »Drei sind mir zu wunderbar, und das vierte verstehe ich nicht.« D’Artagnan: »Drei Musketiere? Wieso nur drei?« Kant: » [...], so besteht doch die Kritik der reinen Vernunft [...] aus drei Teilen: der Kritik des reinen Verstandes, der reinen Urteilskraft und der reinen Vernunft, welche Vermögen dann rein genannt werden, wenn sie a priori gesetzgebend sind.« Welche Kritik der reinen Vernunft besteht aus den drei Teilen? Eine vierte Kritik? Drei Könige aus dem Morgenland, und der vierte, der König der Könige. Die drei Gewalten des Staates, und die vierte, die unverfaßte öffentliche Meinung. Die Heilige Dreieinigkeit, und der Vierte? Die Kirche? Drei Dimensionen des Raumes, und die vierte, die Zeit. »Vier sah ich kommen, drei nur gehen; / Den Sinn der Rede konnt’ ich nicht verstehn.« ( Faust II) »Der Zuschauer ist der letzte von den drei Ringen. Der mittlere aber bist du, der Rhapsode und Darsteller, und der erste ist der

Weitere Kostenlose Bücher