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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
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Lebenswelt unterscheidet sich zunächst nicht von der des Hundes, der uns begleitet. Tiere nehmen sinnlich wahr wie wir, wir erschrecken wie sie bei einem lauten Geräusch, beim Gang am Fluß wissen wir, daß das Wasser nicht begehbar ist, es sei denn im Winter, in dem wir gemeinsam frieren und uns nur zögernd aufs Eis wagen. Dieselbe freudige Erregung, wenn uns das Kind des Hauses entgegen kommt.
    Zugleich gibt es für uns eine andere, identische Welt, die die Tiere nicht kennen. Wir Menschen machen die Dinge zu Objekten der Erkenntnis; dieselbe Sonne, die sich im Tageslauf langsam von Osten nach Westen bewegt, steht, so erkennen wir, fest in der Mitte des Planetensystems. Wir spüren die Kälte, aber wir erkennen in ihr zugleich die Ursache der Vereisung; kein Tier weiß, was eine Ursache ist, kein Tier kann sich wundern. Wir suchen mühselig die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Tieren und Menschen zu erkennen, aber sie beteiligen sich nicht, und so führen wir sie als unmündige Wesen an der Leine, wohin wir wollen.
Von der Freiheit der Tiere, oder:
Vom Schimpansen als Torwart
    Die Fliege, der wir den Weg aus dem Glas zeigen und die sich schon vorher davongemacht hat, verfügt über eine größere Bewegungsfreiheit als zuvor, desgleichen jedes andere Tier, das aus einem Käfig entlassen wird. Aber weder die Fliegen noch die Bonobos können in einer Alternative das Pro und Contra erwägen und aufgrund dieser Erwägung zu einer begründeten Meinung gelangen. Der Hund mag perplex stehenbleiben im Zwiespalt zwischen Befehl und Begierde, aber er kann die Gründe für das Befolgen des einen oder des anderen nicht objektiv vorstellen, prüfen und danach seine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen treffen. Man könnte in einem vom Abstieg bedrohten Fußballverein m. E. sehr wohl den Torwart durch einen Schimpansen ersetzen, aber keinen anderen Spieler. Der Torwart muß nur jeden heranfliegenden Ball sehen und losspringen, dies läßt sich vor der Saison rasch andressieren, die freie Reflexion ist unnötig. Anders die übrigen Spieler; sie kennen die Spielregeln auswendig, sie müssen die ausgeklügelten Finten und Superfinten der gegnerischen Spieler frühzeitig erkennen, die spontanen Überlegungen und Reaktionen ihrer Mitspieler einkalkulieren und dann den Schluß ziehen, das übersteigt das Vermögen der Tiere hoffnungslos. Der Heimatverein jedoch, der einen Schimpansen ins Tor stellt, wird in wenigen Monaten Weltmeister sein. Wir behalten uns eine Gewinnbeteiligung vor.
Unübersichtlich
    Die menschliche Psyche ist offenbar so angelegt, daß sie die Unübersichtlichkeit jeder Gegenwart immer neu erlebt und gegen die stabilen Ordnungsbilder der Vergangenheit absetzt. Und der Geschichtsphilosoph weiß: Alle Ordnung von Ereignissen ist erst aus dem Rückspiegel möglich; die Zeitzeugenkennen den Fortgang des Stücks nicht, alles steht ratlos herum, bis der Geschichtler es hinterher erkennt, es sinnvoll ordnet und der Gegenwart mit einem Namen als Bühnenkulisse andient. So erklärt sich die Stimme aller Völker und Zeiten, wie unübersichtlich die Welt neuerdings geworden sei. Dem kognitiven Befund der Unübersichtlichkeit entspricht das moralische blanke Entsetzen: Korruption bei den höchsten Würdenträgern, Verbrechen in der Nachbarstraße, Mißbrauch von Kindern, Gewalt in den Häusern: Nie war es so fürchterlich wie jetzt. Aber vielleicht gibt es tatsächlich ein Crescendo, einen Fortschritt dessen, was sie das Böse nennen.
Vom Wesen der Wörter
    Hermogenes: »Denn mich dünkt, welchen Namen jemand einem Ding beilegt, der ist auch der rechte, und wenn man wieder einen andern an die Stelle setzt und jenen nicht mehr gebraucht, so ist der letzte nicht minder richtig als der zuerst beigelegte, wie wir unseren Sklaven und Knechten andere Namen geben. Denn kein Name irgendeines Dinges gehört ihm von Natur, sondern durch Anordnung und Gewohnheit derer, welche die Wörter zur Gewohnheit machen und gebrauchen.« Kinderfrage: In den austauschbaren Wörtern steckt gewiß keine Wahrheit oder Falschheit, aber wie kommt sie dann in die Urteile, die aus nichts als Wörtern bestehen und wahr oder falsch sind?
Letztbegründung
    Gibt es ein Denklabor in uns, das wir nie betreten? Findet das innere Gerede, das wir als Sprechen mit uns selbst ausgeben, in den nach außen gewandten

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