Warum aendert sich alles
das Stabile, damit der Wechsel überhaupt möglich ist? Die Grashalmmoleküle sind es nicht, denn die kommen und gehen, restlos, alle; was ist es also, das den sich dauernd ändernden Grashalm zum Grashalm macht? Oder unseren Körper zu demselben Körper, und uns selbst zu demselben Ich-selbst, das für seine früheren Taten jetzt und in Zukunft verantwortlich ist?
Unsere Kultur nimmt am Ãnderungszwang des Universums teil, ob es sich um die Urkultur am Euphrat handelt oder die Stadtverwaltung in Rinteln: Alles, fast alles ändert sich bei den Menschen, wobei das »Alles« und »sich« keine bestimmten Menschen sind, ohne die alles stillstehen würde, sondern ein namenloses Es und Sich. Die gröÃten Ãnderer der Geschichte sind die Europäer, die nichts in Ruhe lassen können und die die ganze bewohnte und unbewohnte Welt in ihre Bewegungsneurose ziehen. Wie lange sich die Welt diese Ãnderungs- und Verbesserungspathologen leisten kann, wird sich erst zeigen, wenn sich für uns persönlich nichts mehr ändert.
Geist und Gehirn. Ein Dialog
Geist: »Mein Gehirn, hilf mir weiter: Wenn wir zwölf Kamele hätten und fünf würden gestohlen, wie viele Kamele hätten wir dann?«
Gehirn: »Dummkopf! Wir haben einen Hund und elf Katzen!«
Geist: »Wenn wir hätten! Wenn! Irrealis! Bitte: 12 minus 5! Verstehen deine Neuronen und Synapsen das nicht, den Irrealis und die Negation?«
Gehirn, schweigt trotzig.
Kalt schon
»Sie schwimmen auch im Winter, wenn ein Teil des Sees schon zugefroren ist? Ist es nicht kalt?«
»Kalt schon, aber mein Körper ist daran gewöhnt; er folgt mir wie ein Hund; wenn wir uns dem See nähern, weià er, was ihn erwartet, und dann verhält er sich sehr vernünftig. Es ist eine Frage der Dressur. Viele kümmern sich um ihren Körper so wenig wie um einen StraÃenköter, andere verwöhnen ihn wie einen SchoÃhund.«
Aufruf an meine Gedanken
Ihr kommt und geht, seid lebendig gegenwärtig und verblaÃt am Horizont der vergangenen Tage und Wochen, und das ist gut so, Bilder, Sätze, Wörter, Bilder. Wie sollte es zugehen, wenn alle einmal ausgedachten Gedanken bei mir präsent blieben und sich dauernd nach vorne drängten? Aber in letzter Zeit häufen sich die Fälle, daà ein eben gedachter, nicht nur flüchtiger, sondern genau bedachter, ausgedachter Gedanke weghuscht und fortbleibt! Den Namen dieses Bekannten wuÃte ich immer wie meinen eigenen â er kommt, wir begrüÃen uns, und der Name stiehlt sich davon! Ich setze michwährend des Gespräches auf die Lauer, jetzt müÃte er kommen, er fühlt sich nahe, aber er springt weg, wenn ich zugreife! Meine Gedanken, haltet euch an die Losung: Vernünftig gedacht, vernünftig geblieben, immer griffbereit, ihr dürft euch nur davonmachen, wenn ich es erlaube. Ich will diesen Satz: »Was wollte ich doch noch sagen?« nicht mehr hören müssen. Aber das ist noch das geringere Ãbel. Seit eh und je kommt ihr angestürmt, wie es euch gefällt; ich denke über etwas nach, ich sitze an Plänen, und hereingetobt kommt eine Horde von Bildern und Satzfetzen, ohne jeden Zusammenhang, mit Gefühlstrompeten und Reizen, die ich mir verbitte. Diese Chaoten können nachts in den Träumen machen, was sie wollen, wenn sie überhaupt etwas wollen, aber bitte nicht am Tag! Die Zustände sind schlimm, ich sehe mich daher genötigt, mit meinem Appell an die Ãffentlichkeit zu treten.
Gesund, stoisch
»Wie kommt es, daà Sie immer gesund sind?« »Mal so, mal so. Am Anfang gab es ein ungeklärtes freundschaftliches Duund-Du, bis mich dann mein Körper mit irgendeiner affektierten Herbst- oder Frühlingsgrippe angriff. Ich begann, ihn mit Kälte und Distanz zu behandeln; eine Zeitlang ging es gut, aber hin und wieder attackierte er mich mit seinen widerlichen Gebrechen und Halbheiten. Ich lernte nun, ihm zuvorzukommen und ihn zu überlisten, so daà seine Kränkeleien unbeachtet ins Leere stieÃen. Besonders dadurch, daà ich nicht zum Arzt ging, fehlte den bösartigen Anfällen die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und mit Hilfe der Ãrzte Zeit und Boden im Körper zu gewinnen und sich auf Dauer per Rezept in ihm einzunisten. Seit kurzem, so scheint es, hat mein Körper deswegen resigniert, und er hat offenbar auch keine Kraft mehr,
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