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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
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Räumen statt, die schon öffentlich und voller irritierender Bilder sind? Wir müssen z. B. wissen, was mit dem Satz vom Widerspruch an sich gemeintist, um ihn unterschiedlich und revidierbar in verschiedenen Sprachen formulieren zu können. Kein inneres Afrika, sondern besser: unser inneres Athen, das wir nicht betreten können, aber an dem alle Vernunft unsichtbar, unerkennbar hängt. Bilder gibt es dort nicht mehr.
Wahr. Wirksam
    In einer höchst erfolgreichen Publikation wird demonstriert, daß der Wahrheitsbegriff eine mythische Fiktion der nachhomerischen Zeit ist und in der Postpostmoderne verabschiedet werde. Die Autorin beruft sich auf Friedrich Nietzsche und plädiert für die endgültige Verbannung des Wahrheitsmythos aus der Wissenschaft und die Ersetzung durch den empirischen Begriff der Wirksamkeit; die Wirksamkeit sei im elektronischen Zeitalter einfach verifizierbar, man benötige nur die Nutzerfrequenz der Homepage der Wissenschaftler und als Korrektiv das nationale und internationale Ranking in der jeweiligen Disziplin. Es sei auch längst faktisch so, daß niemand eine Publikation als wahr oder falsch beurteile, sondern als interessant, vielversprechend, eindrucksvoll, innovativ oder unpassend. Kritiker wies die Autorin zurück mit dem Hinweis, es werde sich schon herausstellen, wer in dieser Frage die besseren Karten habe. Sie vermied es auf der Pressekonferenz geschickt, die Wörter »wahr« und »falsch« zu benutzen.
Hirn, Geist, Hirn
    Â»Wenn zwei Gehirne in zwei Personen absolut identisch sind, sind dann auch die Gedanken dieser Personen absolut identisch?«
    Â»Sie bewegen sich schon wieder in einer Märchenwelt, aber nicht in unserem Kosmos. In dieser Welt gibt es schlichtweg keine zwei identischen Gehirne, und wenn es sie gäbe, könntenwir dies nicht erkennen. Also stellen Sie mir bitte Fragen, die etwas mit der Wirklichkeit und dem Stand der Forschung zu tun haben, aber nicht mit metaphysischen Unterstellungen operieren.«
    Â»Sie haben meine Frage nicht beantwortet! Unterlassen Sie Ihre Abschweifungen und sagen Sie klipp und klar ja oder nein.«
    Â»Sehen Sie dort den Kreisel? Er dreht sich, bleibt aber auf einer Stelle. Antworten Sie klipp und klar mit ja oder nein: Bewegt er sich oder nicht?«
    Â»Sorry, dort kommt mein Taxi. Nice to meet you.«
    Â»Noch eine Sekunde! Wenn Gehirn und Denken identisch sind, erübrigt sich die Frage. Wenn nicht, wenn das Hirn also ein Gegenstand im Raum ist und das Denken eine subjektive Tätigkeit, die man nicht im Raum beobachten kann, dann ergibt sich: Die Gedanken der beiden Personen können zufällig identisch sein, aber sie müssen es nicht, weil das Gehirn das Denken nicht durchgängig bestimmt. Das Gehirn liefert eine nach unserer Erkenntnis unentbehrliche Infrastruktur der Denktätigkeit, bestimmt jedoch nicht die Logik des Denkens, soweit dieses im Urteil besteht. Das Gehirn kann nicht zwischen Wahr und Falsch unterscheiden, hat nie etwas von einer Verneinung gehört (seit wann sollte es etwas in der Natur geben, was es nicht gibt?) und weiß nicht, was eine Referenz ist. So ist es möglich, daß die eine der beiden Personen die Frage mit Ja, die andere mit Nein beantwortet.
    Und dann: Gedanken können das Gehirn beeinflussen, es beleben und veröden. Nun können unterschiedliche Ursachen identische Wirkungen haben; wenn also die Gehirne der beiden Personen in einem identischen Zustand sind, kann dies das Resultat unterschiedlicher Gedanken sein.«
    Â»Vielen Dank! Gut, daß ich noch hierblieb.«
Schülerin: »Aber warum ändert sich alles?«
    Gute Frage. Aber sie setzt voraus, daß es wahr ist, daß sich alles ändert. Lange Gesichter bei den Theologen, aber auch die Physiker springen auf die Barrikaden: Alles könne sich gar nicht ändern, und dann folgt bei den Vorsokratikern eine Lehre vom unveränderlichen Sein, daraus wird der Erhaltungssatz der Materie und später der Energie; den ausgeflippten Erkenntnissen der heutigen Kosmologen kann niemand mehr folgen. Aber trotzdem: Ein einheitliches unveränderliches Etwas vorausgesetzt, ändert sich alles, fast alles. Selbst Raum und Zeit sind Produkte der Entwicklung. Warum das so ist? Die Frage kann niemand beantworten; wir müssen in unserem Universum damit leben.
    In der belebten Natur gibt es einen permanenten Wechsel, an dem jeder Grashalm teilnimmt; aber was ist

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