Warum aendert sich alles

wie »der Ausbruch eines Vulkans«; wie »der Untergang von Pompeji«; wie »der Weltuntergang«.»Sie waren beim Weltuntergang zugegen – wie war Ihr Eindruck?« »Mein Eindruck? Als ob die ganze Welt eine einzige Munitionsfabrik war.« – »Der Hurrikan wütete hier in Yucatan, wie war Ihr Eindruck?« »Als ob ein Riese durch das Land gestampft wäre.« – »Der Riese ist hier durch den Schwarzwald gestampft, wie war Ihr Eindruck?« »Als ob ein Hurrikan durch unsere Heimat fegt.« »Wie erlebten Sie die große Flutwelle? Was sahen Sie, als die zehn Meter hohe Wasserwand auf Sie zukam?« »Es war schrecklich, eine Sintflut, wie bei der Sintflut!«
Triumph der Wahrheit
    In chinesischen Medien wurden die durch den Westen angeheizten Anklagen empört zurückgewiesen, Hunde könnten in den Megastädten nicht überleben, weil in ihrer Kopfhöhe nicht mehr genügend Sauerstoff vorhanden sei. In den eleganteren Straßen der Innenstädte seien schon seit einiger Zeit Hundeatmungszentren eingerichtet, in denen die Tiere frischen Sauerstoff einatmen könnten und so für zwei, drei Straßenzüge gut ausgerüstet seien. Journalisten überprüften die Angaben und gaben kleinlaut deren Wahrheit zu.
Kulturwissenschaftler
    Â»Kurz eine Frage. Sie studieren ›Kulturwissenschaften Osteuropa‹. Und warum?«
    Â»Ich finde das cool. Die Wirtschaftsbeziehungen werden sich auch verbessern.«
    Â»Und welche Sprachen sprechen Sie?«
    Â»Sprachen? Deutsch natürlich, etwas Englisch.«
    Â»Und Russisch? Polnisch? Ungarisch?«
    Â»Unser Prof sagt, das braucht man nicht. Er kann das auch nicht. Grammatikpauken und Vokabeln, das hilft sowieso nicht weiter, man muß sich einfühlen in ein Volk, alles Wichtigegibt es im deutschen Reader in Stichworten. Und dann natürlich das Marketing.«
    Â»Viel Erfolg!«
Industrie- und Handelstag
    Ringsum Erleichterung über den einstimmig gefaßten Beschluß des Industrie- und Handelstages: Die deutschen höheren Schulen, Fachschulen, Kliniken und Universitäten werden zu einem Gesamtkomplex »Praxis, Schule und Gesundheit« zusammengefaßt, und dieser wird in den nächsten drei Jahren als einheitlicher Verbund privatisiert. In den Reden wurde auf die erfolgreiche Privatisierung von Post und Polizei hingewiesen. Die Regierung behielt sich vor, im Aufsichtsrat durch Beobachter vertreten zu sein, war aber über den von ihr mitbewirkten Gesamtbeschluß zufrieden, weil nur durch die gezielte Praxisausrichtung aller Ausbildungsstätten ein größerer Schaden vom Standort Deutschland abgewendet werden könne. Wahrscheinlich wird der Komplex von einem Konsortium übernommen, in dem ein nicht genannter Medienkonzern mit 51%, die Telekom mit 29%, die Deutsche Bank mit 10% und auch die Gewerkschaft Verdi mit 10% vertreten sein werden. Wie erwartet, protestierte der Berufsverband der Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte und der Professorinnen und Professoren mit einem längeren Schreiben, das jedoch nicht verlesen wurde.
    Der Industrie- und Handelstag setzte unverzüglich eine Kommission ein, die nun auch die Privatisierung des gesamten Justizwesens vorbereiten soll. Für die zu gründende Aktiengesellschaft liegen bereits zahlreiche Optionen aus den USA vor, so daß sich wesentliche Korrekturen auch in der Prozeßordnung abzeichnen; es wird jedoch nicht zu einer Wiedereinführung der Todesstrafe kommen. Dazu wollten sich allerdings die Sprecher auf der Pressekonferenz noch nicht äußern, zumal namhafte Senatoren ihre Meinung noch nicht geäußert hatten.
Os malorum (Der Knochen der Bösen)
    Das Os malorum, der Knochen der oder gar des Bösen (oder der Übel), wurde am Anfang des 19. Jahrhunderts im menschlichen Schädel entdeckt, von einer hämischen Kritik geleugnet und am Ende vergessen. Die Hirnforschung nähert sich erst langsam jenen seligen Zeiten, in denen die weltbewegenden Fragen noch von der Wissenschaft durch den Verweis auf einen einfachen Knochen gelöst werden konnten. Wie aufwendig ist die Forschung geworden, um zu so simplen Antworten zurückzukommen.
Tiere
    Wir Menschen leben in zwei Welten, die paradoxerweise zugleich eine ist oder sind. Das Tageslicht, die Gerüche aus dem Bäckerladen, die Hauswand, an der wir entlanggehen und die wir nicht durchschreiten können – diese unsere