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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Brandt
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andere; gottgläubig und naiv stellt sich der Böse im Großen, unser Schriftböser, auf die gute Seite, unfähig, über die Seitenwahl zu reflektieren. Die pervertierten Gedanken besetzen bei ihm die Domänen von Recht und Sittlichkeit – nicht die Vernunft entscheidet, was recht und billig und unrecht und böse ist, sondern einzig der geglaubte Gedanke und das Buch, das sein Gift aus Worten in die Seele des tumben Gläubigen träufelt. Der Blutböse, der selbst erschlägt, der eigenhändig Unterschriften fälscht, verehrt den Gedanken- und Buchbösen, den er nicht durchschaut; der Buchböse verachtet dagegen den Selbsttäter, ohne zu merken, daß es sein Spiegelbild en miniature ist. Der kleine Lump auf eigene Faust behält sein Gewissen, das ihn plagt; der Glaubensböse aber ist gewissenlos und weiß sich bis zum letzten Atemzug auf der richtigen Seite.
    Bedenke auch Folgendes. Zu den schlimmsten Verbrechen der neueren Zeit gehört die Tortur und Ermordung vieler Millionen Juden, einfach so, scheinbar. Man gibt den monströsen einzelnen Taten den dunklen Sammelnamen des Holocaust (was heißt das: Holocaust? Schon das Nichtwissen brütet über neuem Unheil) Wie war der Holocaust möglich? Nicht aus dem Stand weniger Jahre, das schafft kein noch so zivilisiertes Volk, es bedarf einer langen gelehrten und subtilen Vorarbeit durch die Buchbösen, es bedurfte der Predigt Sonntag um Sonntag, Jahr um Jahr durch fast zwei Jahrtausende gegen die Juden, bis endlich die Blutbösen alles in dieTat umsetzten und das Werk der Buchbösen vollendeten. So freilich werden die Frommen das Entsetzliche nicht erklären, sondern vom Bösen überhaupt und im allgemeinen reden, jetzt und in Ewigkeit. Merke: Die Rede von »dem« Bösen blockiert die genaue Nachfrage im einzelnen.
    Natürlich ist damit das Thema nicht erschöpft, aber die Richtung des Nachdenkens könnte richtig sein.«
Einladung
    Wie erst jetzt bekannt wurde, hat das irakische Parlament Anfang April 2006 beschlossen, die Hauptbefreier des Landes, Bush und Blair und ihre verantwortlichen Minister, zu einem vierwöchigen Sommeraufenthalt in Bagdad einzuladen. Der Staat wollte die Kosten für die Hotels im Zentrum der Stadt übernehmen, garantierte auch das tägliche Duschen bei ca. 50 Grad Celsius im Schatten und einige andere, an sich schon unmögliche Zusagen des täglichen Stroms und der ausreichenden Nahrung. Böswillige Gegner der Regierenden berichten, man habe sich in Washington und London (in Blairs protokatholischer Phase) fast totgelacht über die Einladung; seriösere Organe behaupten, die Einladungen seien im Vorfeld abgefangen und vernichtet worden.
    P. S. Der Premier kam wie ein zweiter Tamerlan tatsächlich, er ließ sich im Präsidentenzimmer in Bagdad filmen; die Leichenberge in der Stadt blieben unsichtbar. Die Litanei: Der Überfall war ein Segen. Nach wenigen Minuten der Rückflug. Kein lähmendes Entsetzen in den Medien, sondern: Die neuen Superstars, der Klima- und der Wetterbericht, die Kurse.
Asymmetrische Kriege
    Klassisch: Ein Staat erklärt einem anderen Staat den symmetrischen Krieg, marschiert über die Grenze in das fremde Land und verspricht den eigenen Soldaten, daß sie im August resp. bis Weihnachten wieder zu Hause sein werden.
    Asymmetrische Kriege: Die Römer reinigten das östliche Mittelmeer in wenigen Monaten von Piraten, die die Seewege unsicher machten. Die europäischen Einwanderer reinigten Nordamerika von den Ureinwohnern ohne die katholischen Skrupel und die Bedenken der Spanier in Mittel- und Südamerika.
    Der gegenwärtige asymmetrische Krieg ist durch zwei Faktoren dazu verdammt, grenzenlos zu werden: Erstens sieht die potente Weltöffentlichkeit zu und verurteilt die Flächenausmerzung (so konnten die Israelis die Palästinenser nicht kurzerhand ausrotten, als sie ihr Land besetzten), und zweitens tragen die Ersteinwohner-Piraten-Terroristen verheerende Waffen in ihren Einkaufs- oder Hosentaschen mit sich, zutiefst gläubige, gedopte Analphabeten, deren Familien nach dem schnellen Tod 2000 Dollar erhalten und ein Jahr überleben können – »dulce est mori ›Pro familia‹«. Die Asymmetrie besteht jetzt zwischen der politisch eingehegten und behinderten staatlichen Macht und der räumlich-zeitlich infiniten Verheerung, die die infinit vielen außerstaatlichen Gegner

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