Warum auch nette Männer nicht zum Frühstück bleiben (German Edition)
funktioniert dafür die behäbig zur Schau gestellte Bürgerlichkeit meines Durchschnitts-Freds, der wirklich nicht besonders hübsch aussieht, aber als ich im Text immer mehr dezente Hinweise auf die Eigenimmobilie gebe, die schönen Floridaurlaube erwähne, ohne die Fred nicht mehr leben möchte, und das Ganze noch mit triefender Romantik und brennendem Kinderwunsch verbräme, kann sich Fred vor alleinerziehenden Mamas schlicht nicht mehr retten. Das ist doch wenigstens mal ein vielversprechender Ansatz.
Weil aber Marktanalysen nichts taugen, in denen nicht auch das Potenzial der Konkurrenz untersucht wird, beerdige ich meine drei Herren nach zwei Wochen und erschaffe drei unterschiedliche Frauenprofile. Nach wenigen Tagen entwickele ich großes Verständnis für alle Mädels, die mir in meinem Leben nicht geantwortet haben. Ich erhalte pro Frauen-Dummy zwischen 30 und 50 Anschreiben pro Tag, das kann kein Mensch lesen, also gewöhne ich mir an, alles zu müllen, was mich nicht in den ersten zwei Sätzen irgendwie verblüfft, erheitert oder gerührt hat.
Etwa 30 Prozent aller Herren fragen ohne größeren Anlauf in der ersten Mail: »Ficken?« oder »Hast du nicht auch mal wieder Bock, so richtig geleckt zu werden?« Manche werben gar mit einem klar formulierten »Dauerständer sucht Betätigungsfeld!«.
Dies alles wirft kein allzu gutes Licht auf meine Geschlechtsgenossen, erklärt andererseits aber auch, warum ich doch wenigstens sporadisch erfolgreich agiere. Die Männerwelt teilt sich neben den Beischlafbettlern nämlich auf in:
– frisch getrennte Heulsusen,
– kopfrasierte Muckimacker,
– Typen, die vor ihrem Motorrad posen,
– Dumpfbacken aller Altersklassen, die weder Rechtschreibung noch Interpunktion beherrschen, geschweige denn klügere Ansprachen finden als: »Du siehst echt super aus.«
Nur rund jeder zehnte Kerl bringt einen unfallfreien Text zustande, in dem er darauf eingeht, was ich in zarten Worten als Wünsche und Sehnsüchte meiner weiblichen Probanden angedeutet habe. Bei der Durchsicht ertappe ich mich immer wieder dabei, dass mein metrosexuelles Teil-Ich spontan auf kluge oder einfühlsame Fragen antworten möchte. Und da ich obendrein merke, bei welchen Mails mich bereits zu Beginn eine gewisse Neugier oder Zuneigung übermannt, beende ich auch diese Studien und entwickele in den folgenden Wochen ein ausgereiftes Flirtkonzept.
Fortan lese ich Frauenprofile mehrfach gründlich, lehne mich auf eine Marlboro-Länge zurück, bis mir eine passgenaue Erwiderung einfällt, die zumeist mit einer schnuffeligen Frage endet, in der ich mich manchmal als ein wenig hilflos, öfter aber als frech und immerzu als äußerst kreativ erweise.
Dies führt zu zahlreichen Dialogen, in deren Verlauf ich mich als schlagfertiger, witziger und charmanter Zeitgenosse gebe, der sowohl die Wildheit des Dreitagebärtlers als auch die dezente Eloquenz eines beruflich erfolgreichen Mannes versprüht. Und letztlich führt es mich in eine schnelle Abfolge von Dates, bei denen ich sorgsam auf Bindungsfähigkeit untersucht werde, obwohl auch ich nichts anderes will als die 30 Prozent Typen, die ihre hoffnungslosen Versuche mit der Frage »Ficken?« einläuten.
Kurzum: Meine gesamte digitale Singlewelt basiert auf groß angelegtem Beschiss, und ich bewege mich für mehrere Jahre in einem irrsinnigen Lügenkreisel, an dessen Ausfahrten betrübte Frauen zurückbleiben, mit denen ich je nach Erfreulichkeit der Angelegenheit eine Nacht bis mehrere Wochen gevögelt habe. Das eigentlich Perfide an der Angelegenheit ist allerdings: Ich verliere jedes Augenmaß für Anstand, der Kleine in mir zieht sich beleidigt zurück und lässt den Cowboy wildern. Und manchmal, aber wirklich nur ganz manchmal frage ich mich, ob ich eine Gelegenheit zum Glück zwischen all diesen Frauenbeinen überhaupt noch erkennen würde.
Die Antwort darauf gibt mir Karen.
Ich glaube, aus Karen und mir hätte etwas werden können, wenn ich nicht so ein verficktes Arschloch und sie nicht so überaus vorsichtig gewesen wäre. Ihr Profil erheitert mich, weil das Foto ein ziemlich verrückter Schnappschuss ist: Karen hat eine fellgeränderte Kapuze auf dem Kopf, kneift die Augen zu, schneidet eine schreckliche Grimasse und streckt dem Fotografen die Zunge raus.
Hübsch geht definitiv anders, und ich bin mir auf den ersten Blick sicher: Wer so ein Foto ins Netz stellen muss, den hat die Natur grausam benachteiligt.
Ich studiere ihr Profil, immerhin,
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