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Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung

Titel: Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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hebt, wie eine Enthüllung, ein Gedächtnis, das wach geküßt wird.
    Literatur
    P. Blonsky, »Das Problem der ersten Kindheitserinnerung und seine Bedeutung«, Archiv für die gesamte Psychologie , 71 (1929), 369-390.
    F.W. Colegrove, »Individual memories«, American Journal of Psychology, 10 (1899), 228-255.
    G.J. Dudycha & M.M. Dudycha, »Some factors characteristic of childhood memories«, Child development, 4 (1933), 265-278.
    S. Freud, »Über Deckerinnerungen«, Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie (1899). Aufgenommen in: Gesammelte Werke, 1, 531-554.
    S. Freud, Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901), Frankfurt a.M. 1964.
    V. Henri & C. Henri, »Enquete sur les premiers souvenirs de l'enfance«, L'Annee psychologique, 3 (1896), 184-198.
    M.L. Howe & M.L. Courage, »On resolving the enigma of infantile amnesia«, Psychological Bulletin, 113 (1993), 305-326.
    N. Matsier, Gesloten huis, Amsterdam 1994. Zitiert aus: Selbstporträt mit Eltern, Zürich 2001.
    V. Nabokov, Speak, memory (1951). Zitiert aus: Sprich, Erinnerung, sprich, Reinbek bei Hamburg, 1984.
    K. Nelson (Hrsg.), Narratives from the crib, Cambridge (Mass.) 1989.
    K. Nelson, »The psychological and social origins of autobiographical memory«, Psychological Science, 4 (1993), 1, 7-14.
    J. Piaget, La formation du Symbole chez l'enfant, Neuchätel 1945. Zitiert aus: Nachahmung, Spiel und Traum. Die Entwicklung der Symbolfunktion beim Kinde, Stuttgart 1969.
    E.B. Potwin, »Study of early memories«, Psychological Review, 8 (1901), 596-601.
    G. Sand, Histoire de ma vie (1855). Geschichte meines Lebens, 12 Bände, Leipzig 1863.
    J.A. Usher & U. Neisser, »Childhood amnesia and the beginnings of memory for four early life events«, Journal of Experimental Psychology: General, 122 (1993), 155-165.
    S. Waldfogel, »The frequency and affective character of childhood memories«, Psychological Monographs: General and Applied, 62 (1948), 1-38.
    E. Wharton, A backward glance, New York 1933.
    V. Woolf, »A sketch of the past«, Moments of being. Unpublished autobiographi-cal writings, London 1976, 61-137. Zitiert aus: Augenblicke: Skizzierte Erinnerungen, Frankfurt a.M. 1984.

Geruch und Erinnerung
    Wer über Geruch und Gedächtnis schreibt, der muß unbedingt erst einmal mit Marcel Proust Tee trinken. Jede Abhandlung über die Psychologie des Geruchs verweist auf eine Szene in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Die Beschreibung stammt häufig aus zigster Hand, ist höchstens dreizeilig und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt: Der Erzähler trinkt eine Tasse Tee, tunkt ein Stück Gebäck hinein, und plötzlich führt ihn der Geruch in seine Jugend in Combray zurück. Bei Proust nimmt diese Szene gut vier Seiten ein. Es handelt sich um einen subtilen introspektiven Bericht über die Gefühle, die der Tee und das Madelainegebäck beim Erzähler auslösen, und die Schwierigkeit, die es ihm macht, diese Gefühle unterzubringen. An einem kalten Wintertag war er durchgefroren nach Hause gekommen. Seine Mutter bot ihm eine Tasse Tee an. Sie legte ihm ein Stück Gebäck dazu, eine >petite madelaine<.
    »Gleich darauf führte ich, bedrückt durch den trüben Tag und die Aussicht auf den traurigen folgenden, einen Löffel Tee mit dem aufgeweichten kleinen Stück Madelaine darin an die Lippen. In der Sekunde nun, als dieser mit dem Kuchengeschmack gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand und dessen Grund mir unbekannt blieb, hatte mich durchströmt. Mit einem Schlag waren mir die Wechselfälle des Lebens gleichgültig.«
    Der Erzähler versucht herauszufinden, woher dieses plötzliche Gefühl der Freude stammt, aber das gelingt ihm nicht so recht. Er spürt, daß es etwas mit dem Geschmack des Tees und des Kuchens zu tun hat. Er nimmt noch einen Schluck und dann einen weiteren, aber der dritte Schluck tut ihm schon weniger gut als der zweite. »Ich muß aufhören«, sagt er sich, »denn die geheime Kraft des Trankes scheint nachzulassen.« Es ist, als sei tief in ihm etwas geweckt worden, das aber nicht bis in sein Bewußtsein Vordringen kann. Er setzt die Tasse ab. In Gedanken geht er zu dem Moment zurück, als er den ersten Löffel Tee zu seinem Mund brachte. Er versucht, alle Ablenkungen, alle anderen Gedanken aus seinem Geist zu verbannen, preßt die Hände gegen die Ohren, um bloß

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