Warum es die Welt nicht gibt
Gegenstände bilden. Abstrakt gedacht könnte man der Meinung sein, dass jeder beliebige Gegenstand mit jedem anderen beliebigen Gegenstand zu einem Ganzen verbunden werden kann. Nehmen wir meine Nase und mein linkes Ohr. Gibt es wirklich eine mereologische Summe aus meiner Nase und meinem linken Ohr, sozusagen mein linkes »Nohr«? Offensichtlich unterscheiden wir zwischen echten mereologischen Summen und bloßen Aggregaten oder Gegenstandshaufen. Nicht jeder Gegenstandshaufen ist ein echter einzelner Gegenstand. Doch nach welchen Kriterien legen wir fest, ab wann oder unter welchen Bedingungen etwas eine echte mereologische Summe ist?
Wenn ich Ihre Hand schüttele, sind wir dann eine einzige Person? Offensichtlich nicht, obwohl wir eine räumliche Einheit bilden. Die Einheit von Personen kann also nicht ausschließlich darin bestehen, dass sie eine räumliche Einheit bilden. Bei anderen Gegenständen, etwa einem Berg, scheint eine räumliche Nähe hinzureichen, um einen neuen Gegenstand – ein Gebirge – zu bilden. Doch welche Kriterien legen wir an, um echte mereologische Summen von Eigenschafts- bzw. Gegenstandshaufen zu unterscheiden? Ich bin der Meinung, dass es keinen von der Erfahrung unabhängig verfügbaren Katalog von Kriterien gibt, mittels dessen wir die Welt in echte mereologische Summen einteilen. Wir teilen die Welt eben manchmal auch falsch ein, wenn wir etwa Wale für Fische halten. Es gibt einfach keinen Algorithmus, mittels dessen man ein Programm schreiben könnte, das für jede Ansammlung von Eigenschaften festsetzt, ob es eine ihr zugeordnete echte mereologische Summe gibt. Es gibt verschiedene Kriterienkataloge, und manche dieser Kataloge erweisen sich mit der Zeit als falsch.
Kommen wir vor diesem Hintergrund auf unsere Ausgangsfrage zurück, ob es einen Supergegenstand gibt. Wenn es einen Supergegenstand gäbe, wäre er die mereologische Summe aller Eigenschaften – ein seltsamer Gedanke! Denn die mereologische Summe aller Eigenschaften könnte man ohne jedes Kriterium bilden. Jede Eigenschaft gehörte zu dieser Summe, unabhängig davon, welches Kriterium wir anlegen. Ein Gegenstand, über den wir etwas erfahren, ohne jegliches Kriterium anzulegen, indem wir ihm einfach jede beliebige Eigenschaft zusprechen, wäre aber ein sehr merkwürdiges Ding, da er aus meiner linken Hand, Angela Merkels Lieblingsbuch und der teuersten Currywurst südlich von Nordrhein-Westfalen bestünde. Einen Gegenstand zu suchen, über den man mit einer wahren Aussage behaupten kann, er sei das alles: meine linke Hand, Angela Merkels Lieblingsbuch und die teuerste Currywurst südlich von Nordrhein-Westfalen und dazu noch alles andere, wäre jedenfalls ein äußerst extravagantes Forschungsprojekt.
Der Grund dafür liegt darin, dass ein Gegenstand, der alle Eigenschaften hat, kriterienlos er selbst ist. Das Wort »Kriterium« stammt vom altgriechischen Verb »krinein«, das »unterscheiden« und in der Philosophie auch »urteilen« bedeutet, ein Wortstamm, der sich auch hinter der »Krise« verbirgt. Kriterien entsprechen Unterschieden, die einem bestimmten Gegenstand oder Gegenstandsbereich angemessen sind. Wo es keine Kriterien gibt, gibt es keine bestimmten Gegenstände und damit nicht einmal unbestimmte Gegenstände. Denn auch unbestimmte oder relativ unbestimmte Gegenstände (wie etwa die Menge Reis, die man bei einem Abendessen serviert) sind kriteriell bestimmt und müssen sich irgendwie von anderen Gegenständen unterscheiden.
Es ist also falsch, dass es nur eine einzige Substanz, einen Supergegenstand gibt, der alle Eigenschaften hat. Der Monismus ist falsch, er ist sogar notwendig falsch, weil der Begriff des Supergegenstandes inkohärent ist. Der Dualismus hingegen ist zwar wahrheitsfähig, aber völlig unbegründet. Warum sollte es nur zwei und dann auch noch genau die von Descartes namhaft gemachten Substanzen geben?
Für den cartesischen Dualismus spricht nur die sehr oberflächliche Beobachtung, dass es einen Unterschied gibt zwischen Gedanken und demjenigen, womit sich Gedanken beschäftigen. Wenn ich denke, dass es schneit, dann schneit es nicht in meinen Gedanken, da man ansonsten sagen müsste, dass meine Gedanken ein Klima haben, dass es dort gerade Winter ist oder dass ich gefrorenes Wasser in meinen Gedanken habe. Dann könnte ich etwa auch meine Gedanken auftauen und das frische Wasser trinken. Dies würde eine Reise durch die Wüste vereinfachen, da man einfach seine Gedanken an
Weitere Kostenlose Bücher