Warum französische Frauen nicht dick werden (German Edition)
schwimmen, liegen Sie schon bei 430 Kalorien; und was ist mit Treppensteigen? Staunenswerte 1100 Kalorien pro Stunde!
Vive l’escalier!
In meinem dritten Studienjahr hatte ich das große Glück, in die Wohnung einer Malerin einziehen zu können, die die meiste Zeit des Jahres im hübschen südlichen Collioure verbrachte. Ich hatte mein eigenes Zimmer, durfte aber auch den Rest der riesigen Wohnung mit benutzen. Mir kamen Visionen von einer großen Party, besonders angesichts der Rundum-Terrasse, von der aus man auf die Sorbonne sah und die schöne Place Painlevé (was so viel bedeutet wie »aufgegangenes Brot«), gleich neben dem wunderbaren Cluny-Museum für mittelalterliche Kunst. Es war eine Traum-Lage, genau auf der Grenze zwischen dem 5. Arrondissement (dem Quartier Latin) und dem 6. (St. Germain des Prés). Der einzige Haken: Die Wohnung lag im fünften Stock – es waren fünf Treppen bis zu ihr hinauf.
Als ich einzog, hatte ich die Pfunde, die ich als Austauschschülerin zugelegt hatte, bereits wieder verloren. Wäre das nicht so gewesen, hätte mein Job als Wohnungs-Sitter, der mich dort hatte einziehen lassen, mein Problem über kurz oder lang behoben: Ich nahm plötzlich ab, ohne es darauf anzulegen. Besonders während der Examenszeitvon Mai bis Juni, als ich den ganzen Tag die Treppen hinauf- und hinunterlief; nach unten, um auf der kleinen Place Painlevé zu lernen, zurück nach oben, um etwas zu Mittag zu essen, schnell auf die Toilette zu gehen oder ein weiteres Buch zu holen, das ich brauchte; dann wieder fehlte mein Notizbuch für das Seminar gleich um die Ecke. Sechs bis acht Mal stieg ich täglich die 89 Stufen (das Stufenzählen wurde zum Spiel in jener Zeit) hinauf und hinunter. Zu Beginn des Sommers waren mir meine Kleider zu weit geworden (trotz meiner täglichen Dosis Schokolade, trotz Brot und etlichen Restaurantbesuchen mit Freunden), und als ich im Juli meinen Bikini anzog, war meine neue Figur unglaublich, dank der
grand escalier
. Besseres hätte auch ein persönlicher Trainer nicht für meine Beine und den Po bewirken können. Seitdem liebe ich Treppen und suche sie, wo immer es geht, fast so, wie andere sie vermeiden.
Als ich nach New York zog, wohnten wir zuerst im dritten Stock eines Brownstone-Gebäudes im West Village. Nie werde ich vergessen, wie ich meinen ersten Dinner-Gästen die Tür öffnete: Alle waren völlig außer Atem von den drei Treppen, unabhängig vom Alter. Heute wohnen wir im obersten Stock eines 14-stöckigen Hauses – mit Aufzug,
bien sûr
, und niemand muss die Treppen hoch, wenn er uns besuchen kommt. Aber wie meine staunenden Nachbarn wissen, kann man mich mehrmals in der Woche die Treppe nehmen sehen (125 Stufen – ich zähle immer noch),
sans problème
. Der große Stromausfall im September 2003 war eine interessante Erfahrung für mich. Ich kam an völlig erschöpften 25-Jährigen und 40-Jährigen vorbei, die schnaufend auf dem fünften, siebten oder neunten Treppenabsatz pausierten. Unser Gebäude, sollte ich schnell noch hinzufügen, hat ein eigenes Fitness-Studio für die Bewohner. Ein weiteres Beispiel dafür, dass auch diebeste Ausrüstung sich an ihren Ergebnissen messen lassen muss.
Vielleicht ist es rein amerikanisches Paradox: Eine Nation, die so viele großartige Athleten hervorbringt, so sportbegeistert ist und geradezu manisch, wenn es um die Entwicklung von Übungsmaschinen geht, meidet den einfachen, unheroischen Weg zur Fitness. Manchmal glaube ich, dass all diese Maschinen Rudimente des Puritanismus sind: Instrumente öffentlicher Selbstgeißelung für die Sünden des Auf-der-Couch-Hockens und Zu-viel-Essens. Französinnen sind auch ohne solche Extreme von Gut und Böse glücklich. Ihre Wellness kommt von Ausgewogenheit.
So einfach es scheinen mag, ein paar Stufen mehr zu gehen, vielleicht ist es unpraktisch für Sie oder ginge gar gegen den Rat Ihres Arztes. (Befragen Sie immer erst Ihren Arzt, wenn es um Ihr »Training« geht.) In dem Fall gibt es andere Wege, Ihren täglichen Kalorienverbrauch anzuheizen, und ein guter Ort, um nach alternativen Ausgleichsmöglichkeiten zu suchen, ist das Reich unserer »modernen Annehmlichkeiten«. Viele Dinge, die dazu dienen sollen, das Leben leichter zu machen, von Fernbedienungen bis zu bügelfreien Materialien, machen uns tatsächlich am Ende nur zu größeren Herumhockern. Wenn Sie gewisse alltägliche Aufgaben nicht länger als Sklaverei ansehen, sondern als eine meditative Form sanften
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