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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Wahrscheinlich hätte niemand den Mut, zum ‹Sprung› aufzufordern, hätte es nicht seit etwa 1850 Tradition; die Bibel tut das ja nicht. Es handelt sich um den Einfall philosophischer Schriftsteller: Friedrich Heinrich Jacobi und Søren Kierkegaard haben diese Redeweise eingeführt. Sie gehört zu Kierkegaards Kampf mit der dänischen Staatskirche und ihrer intellektuellen Abfederung durch die Philosophie Hegels. Abgelöst von dieser Situation ist es unsinnig, zum Sprung zu raten, wenn es um Argumente geht. ‹Springen› ist eine heroisch klingende Phrase. Was Mut verlangt, kann auch schiefgehen. Welches Risiko besteht beim Mut zum ‹Abenteuer› des Glaubens? Könnte der Sprung auch ins Leere gehen?
    Siebtens: Gnade
    Die praeambula -Denker versprachen zweifelsfreie Gewißheit. Sie priesen Gott, der in seiner Weisheit ihren Erkenntnisweg vorsorglich abgesichert habe. Ihre rationalen Argumente für die Glaubwürdigkeit der Evangelien und der Kirche seien ‹evident›, behauptete das Erste Vatikanische Konzil. Allerdings würden sie erst lebenswirksam durch die Gnade. Nur wen Gott zieht, sagte man, kommt zu Christus. Das war nicht leicht zu verstehen, denn dann war es mit der Evidenz nicht weit her. Daß sie aber vorgesehen war, rettete wenigstens verbal die Selbstbeteiligung des erkennenden Subjekts. Es sollte entscheiden dürfen, auch wenn die proklamierte Gewißheit der prokirchlichen Argumente ‹evident›, also unzweifelhaft sein sollte, was dem vernünftigen Entscheiden keine Wahl ließ.
    Heute leben Christen und Ungläubige in der Zeit der vergessenen oder zurückgedrängten oder bestrittenen praeambula fidei . Sie erkennen kaum, daß diese Situation historisch entstanden ist; sie halten sie für die ewige Natur des Glaubens. Auch die ‹natürliche Religion›, die in Frankreich, England und Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts die Vernünftigkeit des Christentums nachweisen und zur Not auch durch Interpretation herstellen wollte, ist verschwunden. Da führen einige die Gnade als Beweggrund der Zustimmung an; sie setzen an die Stelle freier Prüfung und überlegter Zustimmung die direkte Einwirkung Gottes. Niemand wird es einem Prediger verargen, wenn er die Gnade lobt. Aber diese Gnade, als Glaubensmotiv eingeführt, soll die vernünftige Besinnung ersetzen. Sie fördert nicht die menschliche Vernunft; sie überwältigt sie. Die Berufung auf sie erfolgt an der falschen Stelle. Zu ihr kann man weiter nichts sagen. Sie wirkt, wann sie will. Aber muß man sie nicht auch wollen, damit sie wirkt? Warum soll ich sie wollen? Kann ich etwas glauben, nur weil ich es glauben will? Woher weiß ich, bevor ich glaube, daß es Gott ist, der in ihr wirkt? Wer sich auf sie beruft im Zusammenhang der Glaubensbegründung, schließt sich aus der Diskussion der Kriterien der Entscheidung aus. Er begrüßt jubelnd das Überwältigtwerden. Ich werde ungern überwältigt. Außerdem möchte ich wissen, woran ich erkenne, daß es die Gnade ist, die mich einem bestimmten Glaubensbekenntnis zustimmen macht. Vielleicht ist es nur die Ermattung.
    Ein Moment von Wahrheit liegt in der Berufung auf die Gnade: Sie dämpft die Hypertrophie des Entscheidungspathos. Sie widerspricht der Großsprecherei des Leistungsdenkens. Denn so hoch wie Entscheidungstheologen die menschliche Kompetenz einschätzen, ist sie vermutlich nicht.
    Achtens: Argumentationsverweigerung
    Vielleicht ist für das gegenwärtige Christentum in Westeuropa nichts charakteristischer als die oft nur stillschweigende Weigerung, Gründe für den Glauben vorzubringen. Von der Vergangenheit her geurteilt, zeigt das eine ungeheure Ermattung, die nur wahrnimmt, wer die christliche Denkgeschichte aus den Quellen studiert und sie nicht als Fortschrittslinie konstruiert, die auf die Gegenwart zuläuft. Die Abscheu vor Glaubensbegründungen kennt verschiedene Formen und verbirgt sich unter verbalen Nebeln. Oft hat sie nur den Charakter einer Atmosphäre, sei es der Feierlichkeit, sei es der Traditionspflege, sei es der inszenierten Ästhetisierung. Diese ist eine elegante Art, sich der Rechenschaft über seinen Glauben zu entziehen, zu der die frühe Christenheit sich verpflichtet sah. Die christliche Religion, sagt man in unbestimmten Wendungen, sei eine Form hohen Stils in einer Zeit der Formlosigkeit; sie biete gestaltete Kontinuität in sich überstürzenden Prozessen und trage so ihre Rechtfertigung in sich. Sie sei schön, und was schön sei, bedürfe keiner

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