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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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wir heute so selten, so daß wir – wie David Hume empfahl – uns die Zeugen und die Überlieferung ihrer Aussagen genau anschauen. Im Fall der Auferstehung Jesu hat keiner von ihnen etwas kriminalistisch Verwertbares gesagt. Sie spinnen den Erzählkern – Jesus lebt – weiter aus. An verschiedenen Orten in verschiedener Weise für verschiedene Erwartungen. Kein Heiliges Offizium griff ein und verlangte Gleichklang. Wir können nicht zurückgreifen hinter die Verschiedenheit der Erzählungen. Was in der faktischen, objektiven Realität passiert ist, weiß niemand. Die Zeugen widersprechen sich; das ist bei Kriminalfällen üblich. Die Erzählungen, die vorliegen, halten sich nicht an den Maßstab gerichtsverwendbarer Protokolle. Es sind ‹Mythen›, wenn wir diesem Begriff die pejorativen Nebentöne nehmen, den wir auch beim Drama von Wilhelm Tell vermeiden. Törichte Apologeten verschwenden bei solchen Gelegenheiten ihre und unsere Zeit, indem sie den Vorwurf zurückweisen, die heiligen Schriftsteller hätten gelogen und betrogen. Das behauptet kein besonnener Mensch. Sie haben nur erzählt.

    Bevor ich dieses Kapitel schließe, ist von einem auffälligen ‹Fortschritt› der theologischen Wissenschaft zu berichten: Im Lexikon für Theologie und Kirche Band 1, Freiburg 3 1993, Spalte 1185 steht das Eingeständnis: «Die Auferstehung ist keine beweisbare Tatsache.» Nicht die Auferstehung, nur die Auferstehungserzählungen seien Gegenstand historischen Wissens. Wenn die Auferstehung das größte aller Wunder ist, wie Theologen sagen, dann bestätigt dieses Wunder anno 1993 nicht mehr auf evidente und für alle erkennbare Weise die göttliche Sendung Jesu. Die Legenden wuchern. Sie sind unbekümmert um Details. Sie nehmen Einzelheiten weg und fügen andere hinzu. Die Erkenntnis des Lexikons in der 3. Auflage bricht mit dem Ersten Vaticanum und der neuscholastischen Apologetik, auch mit dem Protestantismus älterer Gangart. Dann hätte die Christenheit 1900 Jahre lang ihre Hauptbotschaft mißverstanden.
    Das gilt fast bis 1960. Michael Buchberger (†1961) war seit 1927 Bischof von Regensburg und galt als Leuchte der Orthodoxie. Seit 1930 gab er die erste Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche heraus, und schon sein Kirchliches Hand-Lexikon von 1907 rühmte sich mit Recht seiner kirchlichen Korrektheit. Es beschrieb die Auferstehung Christi ganz anders als das repräsentative Nachfolgewerk von 1993, nämlich als Wiederbelebung des toten Leibes. Es nannte die Auferstehung eine historisch gesicherte Tatsache und schrieb: «Am 3. Tage nach Christi Tod vereinigte sich seine Seele wieder mit dem Leibe und Christus ging glorreich aus dem Grabe hervor … Die Wirklichkeit der Auferstehung Christi steht historisch fest durch die Glaubwürdigkeit der Evangelien … Die Abweichungen betreffen bloß Nebenumstände» (Freiburg 1907, Band 1, Spalte 399).
    Die Kirchen nannten die Auferstehung Christi ihr ‹Fundamentaldogma› und bezeichneten sie als den «Hauptbeweis für die Göttlichkeit des Christentums». Sie interpretierten die Auferstehung ‹realistisch›, objektivistisch. Sie erklärten sie für eine ‹Tatsache›, unendlich wirklicher als ein Bild, als etwa die Auferstehung von Piero della Francesca in San Sepolcro. Sie setzt die Auferstehung gegenwärtig, ohne nach ‹objektiven› Daten zu fragen.
    Wer sich mit Bildbetrachtung nicht zufrieden gibt, sondern objektivistische Ansprüche erhebt, gerät heute in Konflikt mit der historisch-kritischen Forschung. Er kann sie ablehnen, dann sollte er das offen sagen. Sagt er, er betreibe ‹kanonische Exegese›, wissen wir, daß wir ein erbauliches Predigerbuch in der Hand haben. Die kritische Historie läßt ihrer Natur nach keinen Kompromiß zu. Sie ist eine Methode, kein Gebiet regionaler und aparter Gegenstände. Sie kennt auch die Kanonbildung als zeitlich und örtlich bedingtes historisches Ereignis, das nicht beanspruchen kann, der Schlüssel zur Gesamtgeschichte des Urchristentums zu sein.
    Manche Theologen verteidigten ihre historisch-realistische Osterdeutung damit, es gebe Dinge, die nicht erfunden werden könnten. Das war einfältige Apologetik. Wer nur einmal einen Roman von Thomas Mann gelesen hat, weiß, was alles erfunden werden kann. Ein textfremder Eingriff ist es auch, die Evangelienberichte dahin abzuschwächen, daß die Auferstehung «keine Wiederbelebung eines Toten» war, also keine «Rückkehr unter empirisch prüfbare

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