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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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könnten auch ‹atheistisch an Gott glauben›. Dann kam das Wort ‹Gott› zwar noch vor. Die Rhetorik, die den Abgeschiedenen lebendig halten sollte, tönte aufgeregter und lauter, denn sie hatte den Weltboden verloren. Für sie interessierten sich nur noch spezielle Kundenkreise. Für das allgemeine Selbstverständnis der Wissenschaften wurde ‹Gott› funktionslos, also tot.
    Es gibt weitere Argumente zu sagen, Gott sei tot: Gott hat eine Geschichte. Auch seine Ewigkeit hat er nicht von ewig. Er hat sie mit der Zeit bekommen. Der Gott der Bibel ist entstanden und hat sich verändert. Er war nicht immer das reine Gute; er hatte anfangs dämonische Züge. Zuweilen war er schwer vom Satan zu unterscheiden. Er sandte Donner und Blitz; er trank Hekatomben von Blut. In seinem Tempel floß ständig das Blut der Opfertiere. Der Patriarch Jakob kämpfte mit ihm wie mit einem Feind ( Genesis  32,23–33). Gott tötete. In seiner Wut fiel er auch über seinen auserwählten Moses her, der dem Mordversuch nur knapp entging ( Exodus  4,24–26). Er ließ alle Erstgeborenen Ägyptens umbringen. Einmal sagt Gott sogar von sich, er habe Israel Gesetze gegeben, die nicht gut sind ( Ezechiel  20,25).
    Es kommt darauf an, wie man das Wort ‹Gott› definiert. Der Einwand, das Unendliche sei nicht definierbar, klingt tiefer als er ist, denn es geht hier nur darum, die Bedeutung einer Vokabel anzugeben. Gehört reines Gutsein wesentlich zu ihm? Dieser Begriff von ‹Reinheit›, also von Unvermischtsein mit Bösem, ist platonisch, nicht biblisch. Gehört das Verlangen nach Opfern zum Begriff ‹Gott›? Will er Menschenblut sehen? Fordert er Tieropfer? Oder will er Gehorsam statt blutiger Opfer? Ist er der wahre ‹König›? Dominiert er das Gemeinwesen? Er sagt von sich, er sei ‹heilig›. Aber ‹heilig› hieß bei ihm lange Zeit soviel wie ‹abgegrenzt, erschreckend und unnahbar›. Es bedeutete Todesdrohung für den, der sich ihm nahte. Er übte amoralische Magie: Er tötete einen Mann, der zufällig und ungewollt die ins Rutschen geratene Bundeslade berührte. Er nannte sich ‹Vater›, aber auch ‹Herr der Heerscharen›. Sein Konzept von Vaterschaft war einseitig hart. Es besagte nicht ‹Liebe› in unserem Wortsinn. Er war nicht der Vater aller Menschen, sondern der Besitzer eines besonderen Volks. Nicht selten wurde er zornig. Gottes Zorn machte von einem bestimmten Zeitalter an theoretische Schwierigkeiten. Im Christentum blieb Gott noch lange Zeit zornig, meinetwegen aus gerechtem Zorn. Auch was ‹gerecht› hieß, das bestimmte er.
    Historisch gesehen, ist Gott ein werdendes, ein vergängliches Wesen. Was wir von ihm haben, was wir von ihm wissen, steht in Texten, die seine Wandlungen belegen. Früher war er eifersüchtig bis zur wilden Wut auf Menschen, die einen anderen Gott verehrten. Er forderte Intoleranz, die Zerstörung fremder Kultstätten, die Zerschlagung von Götterbildern und das Umbringen der Götzendiener. Sollte er das heute nicht mehr wollen, war das ein unvorhersehbarer Wandel. Wäre Gott noch ein physischer Organismus – das muß er einmal gewesen sein, ging er doch, wie die Genesis erzählt, bei Abendwind im Garten spazieren, was auch ein Gott nicht ohne Körper kann, und daß das ‹bildlich› gemeint sei, ist späte, philosophieentsprungene Umdeutung –, dann wäre der Verlust einer Eigenschaft oder eines Gliedes für ihn nicht so schlimm, er bliebe Gott. Aber seit der griechischen Philosophie ist Gott eine Gedankenbestimmung, auch wenn sich das herzlos anhört. Wenn einer Definition ein wesentliches Element abgeht – wie in unserem Fall die reine Geistigkeit Gottes –, dann ist er ein anderer geworden. Dann ist er nicht mehr, wie die Theologen sagen, der ‹wahre› Gott. Dann ist der ehedem körperliche Gott gestorben. Ein solcher Wandel wie der Verlust eines konstitutiven Begriffselements wäre auch ein Tod Gottes. Oder wenn in Israel nur Könige Gott ihren ‹Vater› nennen durften, weil nur sie Gottes Söhne waren ( Psalm  2,7 und 89,27), dann wurde Gott in dem Augenblick ein anderer, als alle ihn so nennen durften. Römische Bürger taten das schon lange, denn sie nannten ihn ‹Jupiter›. Ferner: Wenn Gott in sich selbst einen ‹Sohn› hat, ist er ein anderer Gott als vorher. Der sohnlose Gott ist dann gestorben. Zumindest gegenüber der paganen Welt rühmten die Christen sich, einen neuen Gott zu verehren. Die Götter der Mittelmeerwelt waren jetzt für sie nur

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