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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Weisheit des allmächtigen Gottes stand dadurch nicht in Frage. Die Vernünftigkeit des Vorsehungsglaubens beruhte auf der Mythologie des Sternenbaus und war abgesichert a) durch die erwähnte Ontologie des Schlechten als bloßer Beraubung und b) durch Einschränkung des Schlechten auf die unterste Stufe des Universums, und c) durch die Theologie der Erbsünde als Naturverschlechterung. Heute steht sie im Theoriegelände hilflos und verlassen da. Wer sie heute annimmt, bringt ein ‹Opfer des Intellekts›.

    4) Es gab noch andere Wege, Gott vom Elend des irdischen Lebens zu entlasten. Der wohlfeilste war die Vertröstung aufs Jenseits. Ihn zu begehen erforderte keine intellektuelle Arbeit. Solche Verteidiger Gottes brachten das Problem zum Verschwinden. Sie brauchten nur zu sagen, die Leiden dieser Zeit seien nicht zu vergleichen mit der Herrlichkeit des Gottesreiches, die an den Erwählten offenbar werde. Sie dachten dabei zuerst an die bevorstehende Gottesherrschaft auf Erden. Als diese ausblieb, beriefen sie sich auf die Freuden und Strafen für unsterbliche Seelen in Himmel oder Hölle. Dazu griffen sie auf die platonisierende Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele zurück. Sie behoben den Mangel ihrer philosophischen Theologie mit ihrer noch schwerer zu verteidigenden metaphysischen Seelenlehre, auf die ich bald zu sprechen kommen werde.

    5) Neuere Theologen bringen vor, das Problem der Leiden in der Welt werde dadurch gelöst, daß Gott selbst mit uns leide. Dieses Argument ist untauglich aus mehreren Gründen.
    Zunächst wird unser Leiden nicht dadurch erträglicher, daß ein anderer Mensch mit uns leidet wie Jesus am Kreuz.
    Ein solches Argument mögen Prediger in der Kirche oder Seelsorger im Krankenhaus anbringen, vielleicht spendet es Leidenden Trost, aber es löst nicht das theoretische Problem der philosophischen Theologie. Es gehört nicht hierher. Auch wenn Gläubige sich gestärkt fühlen, wenn sie einen göttlichen Leidensgenossen sehen, bleibt die Frage, ob man es der Welt ansieht, daß ein guter und allmächtiger Gott sie weise erschaffen hat. Danach sieht sie aber nicht aus; geschichtliche Berichte über das Leiden eines Gerechten taugen nicht zur Rechtfertigung Gottes.
    Außerdem: Wenn Jesus gekreuzigt worden ist, hat er gewiß gelitten, aber ob Gott dabei gelitten hat und ob Gott am Kreuz gestorben ist, das wirft so viele weitere Fragen auf, daß die einfachere Frage nach dem Grund der Leiden in der Welt noch unlösbarer wird. Die antiken und mittelalterlichen Christen kamen nicht auf die Idee eines leidenden Gottes; für sie stand fest, daß Gott nicht leiden kann. Er sei keinem fremden Willen unterworfen, hätten sie geantwortet. Die tragizistische Idee, der allmächtige Gott sei selbst dem Leiden unterworfen, blieb ihnen fremd; sie lasen nicht Schopenhauer und hörten noch nicht Richard Wagner. Ihnen zufolge schickte Gott den Menschen Leiden, blieb aber selbst in seiner ewigen Freude unberührt. Man kann zweifeln, ob das eine vernünftige Gottesidee war. Schon Aristoteles hatte bemerkt, daß es um Gottes Seligkeit geschehen wäre, würde er alles wahrnehmen, was in seiner Welt geschieht. Gottes Glück war gesichert durch Unachtsamkeit auf irdische Details.
    Die Vorstellung, Gott leide mit den Menschen, mag als erbaulicher Trostgrund hilfreich sein. Ein argumentativer Beitrag zur anstehenden Frage ist sie nicht.

    6) Die Leiden der Menschen und die Bosheit in der Welt haben christliche Denker auf immer neue Verteidigungsversuche gebracht. Die unglücklichste von allen spricht den Menschen die Zuständigkeit ab, darüber zu urteilen. Es sei frevelhafter Übermut, wenn wir sagen, die Welt sehe nicht wie das Werk eines weisen, guten und allmächtigen Gottes aus. Darüber könnten wir nicht nur nicht befinden, wir dürften es vor allem nicht, nach dem Motto des Apostels, Römerbrief  9,20–21: Wer bist du armer Erdenwurm, über die Werke des Allmächtigen zu befinden? Empfohlen wird gläubige Skepsis und Ergebenheit in den Willen Gottes. Aber wer sie empfiehlt, zitiert nicht einfach göttliche Aussprüche, er erklärt sie für wahr und nützlich. Auch ein solcher Erdenwurm erlaubt sich ein Urteil. Nur versteckt er es hinter Zitaten.
    Wäre das menschliche Denken so schwach, dann dürften auch Christenmenschen nicht ihren Schöpfer dafür loben, er habe alles gut gemacht. Denn das ist auch ein Urteil über das Ganze. Ein Verteidiger des guten Gottes fügt hinzu, wir wüßten zu

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