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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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selbst willen intendiert; sie sind durch sich selbst Ordnungsfaktoren, bei denen es keinen Mangel geben kann. Als das eigentlich gewollte, als das einzig wirkliche Sein gilt nur das, was bleibt.
    Mir geht es hier nicht um kosmologische Feinheiten. Was ich belegen wollte: Thomas gab Unordnung für die Welt des Werdens und Vergehens zu, Mangel und Leid trafen nur die unterste Stufe des Universums. Er nutzte das System der neun Himmelssphären, um jeden Zweifel am Überwiegen des Guten in der Welt zurückzuschlagen. Mangel, Untergang und Tod hatten bei ihm nur eine bescheidene Bühne. Und dabei brauchte er noch nicht einmal die Ordnungen der Engel zu bemühen; es genügte das ptolemäische Weltbild. Das Schlechte war im Blick auf die Ordnung des Kosmos fast quantité negligeable. Nur weil es törichte Ketzer gab, die den alten metaphysischen Dualismus wiederholten, war es noch nötig, die einheitliche Weltherrschaft des guten und weisen Gottes zu verteidigen, dessen Prestige nicht betroffen war, wenn sich am unteren Rande des Universums die Ordnung mit etwas Chaos mischte. Übrigens hat noch Leibniz ähnlich argumentiert.
    Das rechtfertigende Argument aus der überragenden Größe der kosmischen Ordnung hatte Augustin dahin variiert, Gott habe als großer Künstler sein Werk mit starken Kontrasten ausgestattet. Wie zu einem Gemälde auch die dunklen Farben gehörten, so habe Gott als Weltkünstler auch das Schlechte in eine höhere und spannungsreiche Harmonie hineinkomponiert. Dieses artistische Argument, würdig des Rhetorikprofessors Augustin, instrumentiert Krebsleidende und Tsunamiopfer zu reizvollen Flecken auf dem kontrastreichen Gemälde der Welt. Ihr Leiden dient der Erhöhung des ästhetischen Prickelns. Das Argument ließ sich fromm und kunstsinnig verbrämen, aber es ist vom Feinsinn edler Römerinnen, die sich in der Arena bei Hinrichtungen durch wilde Bestien amüsierten.
    Heute stellt sich die Frage des Schlechten mit ungemilderter Wucht. Der Glaube an den guten und allmächtigen Gott steht aus objektiv-historischen Gründen philosophisch ungeschützt da. Das Christentum ist weniger vernünftig geworden, und das erklärt den rhetorischen Aufwand Joseph Ratzingers, die Vernünftigkeit des Glaubens zu preisen. Der Vorsehungsglauben hat die kosmologische Stütze verloren; niemand kann sie ersetzen. Weder am Himmel noch auf der Erde gibt es ewig bleibende Arten, denen allein die Vorsehung gelten sollte. Viele Arten sind ausgestorben, andere sterben heute aus. Bleibende Wesenheiten, die in Definitionen zum Ausdruck kamen und das Wissen fundierten, fallen der geschichtlichen Betrachtung anheim. Die Christen haben auf die Frage nach dem Bösen in Gottes Welt, zumal nach zwei Weltkriegen, keine Antwort. Gelegentlich gibt das ein Christ auch zu. Andere flüchten ins ‹Geheimnis›. In dieses Asyl des Nichtwissens folge ich ihnen nicht.

    3) Es gab einen dritten Weg, den Weltenschöpfer vom Elend des Lebens zu entlasten: Theologen führten das Böse auf Schuld zurück und sprachen damit Gott davon frei. Dabei dachten sie nicht primär an die aktuale Schuld der Menschen, sondern an die Urschuld Evas und Adams, die uns der Macht der Dämonen ausgeliefert habe. Die Erbsünde, sagte Augustin, habe uns aus dem Paradies vertrieben. Dort lagerte der Löwe friedlich neben dem Lamm. Adams Sünde erst habe Tod und Krankheit verursacht; sie habe den Verstand verdunkelt und den Willen geschwächt; sie habe dem Teufel die Herrschaft über die Menschenwelt eingebracht. Augustin führte es auf die Erbsünde zurück, daß die Arbeit des Landmanns schwer und die Geburt für die Mutter schmerzhaft ist. Sein bischöflicher Kollege Julian, von höherer philosophischer Qualifikation, fragte zurück, warum denn dann die Säugetiere unter Qualen gebären: Haben etwa auch sie vom falschen Futter gefressen? Augustin ließ die ganze Natur durch die Erbsünde verdorben sein. Adams Sünde habe nicht nur ihn als Einzelnen betroffen, sondern wir alle, sagte der Bischof von Hippo, hätten ‹in Adams Lenden› geschlummert, seien also bei der Erstsünde dabeigewesen. ADAM, der Urvater, habe als Rechtsvertreter der Menschheit die ganze Gattung zu Fall gebracht.
    Dabei blieb auch Thomas, obwohl er einen anderen Begriff von Natur hatte. Dieser hinderte ihn auch nicht, den Dämonen wunderwirkende Macht in der Natur zuzugestehen. Dann brauchte man sich nicht zu wundern, wenn es in der irdischen Natur drunter und drüber ging; die Güte und

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