Warum macht Sex Spaß?
der Muttermilch noch mindestens zehn Jahre lang mit Nahrung versorgt werden, und diese Aufgabe ist für zwei Elternteile viel einfacher zu bewältigen als für einen allein. Auch heute ist es für eine alleinstehende Mutter nicht einfach, Kinder ohne Hilfe großzuziehen, und in der prähistorischen Zeit der Jäger und Sammler war es noch viel schwieriger.
Betrachten wir nun einmal die Zwangslage einer Höhlenbewohnerin, die während des Eisprungs befruchtet wurde. Bei anderen Säugetierarten würde das Männchen sie anschließend sofort verlassen und sich ein anderes Weibchen suchen, das ebenfalls gerade einen Eisprung hat und befruchtet werden kann. Für die Höhlenbewohnerin würde das aber bedeuten, daß das entstehende Kind später wahrscheinlich hungern muß oder sogar ermordet wird. Was kann sie tun, um den Mann an sich zu binden? Ihre geniale Lösung: Sie bleibt auch nach dem Eisprung sexuell zugänglich! Stell ihn zufrieden, indem du mit ihm kopulierst, so oft er will! Auf diese Weise bleibt er in der Nähe und braucht nicht nach neuen Sexualpartnerinnen Ausschau zu halten, und er wird sogar das Fleisch aus seiner täglichen Jagdbeute mit ihr teilen. Sex zum Vergnügen gilt also als das Band, das ein Menschenpaar zusammenhält, während es gemeinsam das hilflose Baby großzieht. Das ist im wesentlichen die Theorie, die früher bei den Anthropologen anerkannt war, und sie schien eine ganze Menge für sich zu haben.
Aber je mehr wir über das Verhalten der Tiere in Erfahrung brachten, desto mehr wuchs die Erkenntnis, daß die Theorie, nach der Sexualität die Familienbande stärkt, viele Fragen offen ließ. Schimpansen und insbesondere Bonobos betreiben Sex noch häufiger als wir (oft mehrmals täglich), aber sie leben promiskuitiv und ohne Paarbindungen, die aufrechterhalten werden müßten. Umgekehrt kennt man auch viele Säugetierarten, deren Männchen keine sexuelle Bestechung brauchen, damit sie bei der Partnerin und den Nachkommen bleiben. Gibbons, die tatsächlich oft als monogame Paare leben, kommen jahrelang ohne Sex aus. Und wir brauchen nur aus dem Fenster zu schauen, dann sehen wir männliche Singvögel, die gemeinsam mit ihrer Partnerin emsig die Jungen füttern, obwohl die sexuelle Betätigung nach der Befruchtung aufgehört hat. Selbst Gorillamännchen mit einem Harem aus mehreren Weibchen haben nur einige Ma le im Jahr die Gelegenheit zum Sex; die meiste Zeit säugen ihre Partnerinnen Junge, oder sie sind nicht in der Brunstzeit. Warum müssen Frauen zur Beschwichtigung ständig Sex anbieten, während andere Weibchen das nicht nötig haben?
Zwischen Menschenpaaren und den genannten enthaltsamen Paaren anderer Tierarten besteht ein entscheidender Unterschied. Gibbons, Gorillas und die meisten Singvögel leben über große Gebiete verstreut, und jedes Paar (oder jeder Harem) besetzt ein eigenes Revier. Durch dieses Prinzip ergeben sich nur wenige Gelegenheiten, potentiellen außerehelichen Sexualpartnern zu begegnen. Dagegen ist es das vielleicht typischste Merkmal der traditionellen menschlichen Gesellschaft, daß die meisten Paare in großen Gruppen mit anderen Paaren zusammenleben und mit diesen wirtschaftlich kooperieren. Will man Tiere mit einer ähnlichen Lebensweise finden, muß man weit über den Bereich unserer Säugetierverwandten hinausgehen und sich in den dichtbesiedelten Kolonien der nistenden Seevögel umsehen. Und selbst Seevogelpaare sind wirtschaftlich nicht so voneinander abhängig wie wir.
Menschen stecken also in dem sexuellen Dilemma, daß Vater und Mutter jahrelang in gemeinsamer Anstrengung die Kinder großziehen müssen, obwohl andere in der Nähe befindliche Erwachsene sie häufig in Versuchung führen. Das Gespenst des Ehebruchs durch außereheliche Sexualität mit seinen möglicherweise katastrophalen Folgen für die Zusammenarbeit der Eltern bei der Kinderversorgung droht in allen menschlichen Gesellschaften. Irgendwie haben sich bei uns der versteckte Eisprung und die ständige sexuelle Bereitschaft gemeinsam entwickelt, um unsere einzigartige Kombination aus Ehe, gemeinsamer Elternschaft und Versuchung zum Ehebruch möglich zu machen. Wie paßt das alles zusammen?
Die verspätete Erkenntnis der Wissenschaftler, daß es solche Paradoxa gibt, führte zu einer Lawine konkurrierender Theorien, in denen sich meist das Geschlecht der Urheber widerspiegelt. Ein männlicher Wissenschaftler stellte zum Beispiel die Prostitutionstheorie auf: Frauen
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