Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
beibringen , den Eisprung durch Beobachtung von Körpertemperatur oder Schleim festzustellen, aber das ist etwas ganz anderes als das instinktive Wissen der weiblichen Tiere. Hätten wir solche instinktiven Kenntnisse, wäre die Herstellung von Eisprungtests und Verhütungsmitteln nicht ein derart gutes Geschäft. – Ungewöhnlich ist auch, daß wir fast ständig Sex praktizieren, ein Verhalten, das sich unmittelbar aus dem versteckten Eisprung ergibt. Die meisten anderen Tiere beschränken sich mit dem Sex auf eine kurze Brunstzeit (Östrus) rund um den gut erkennbaren Zeitpunkt des Eisprunges. Das Wort Östrus stammt übrigens von dem griechischen Ausdruck für die Dasselfliege, ein Stechinsekt, das Rinder befällt und zum Wahnsinn treiben kann. Ein Pavianweibchen gibt während des Östrus seine einmonatige sexuelle Enthaltsamkeit auf und paart sich bis zu hundertmal, und weibliche Magots, eine Affenart, zu der unter anderem die Affen von Gibraltar gehören, treiben es im Durchschnitt alle siebzehn Minuten, wobei sie ihre Gunst jedem Männchen des Rudels mindestens einmal zuteil werden lassen. Monogame Gibbonpaare leben mehrere Jahre ohne Sex, bis das Weibchen sein Jüngstes entwöhnt hat und wieder in den Östrus eintritt. Und sobald das Weibchen schwanger ist, fallen die Gibbons erneut in Enthaltsamkeit.
     
    Wir Menschen dagegen praktizieren Sex an allen Tagen des Zyklus. Prostituierte bieten ihn jeden Tag an, und Männer führen ihn aus, ohne sich darum zu kümmern, ob die Partnerin fruchtbar ist oder gerade einen Eisprung hat. Trotz jahrelanger Untersuchungen ist bis heute nicht einmal sicher, in welchem Stadium des Zyklus die Frauen am meisten Lust auf Sex haben – falls ihre Lust überhaupt zyklischen Schwankungen unterliegt. Deshalb findet Geschlechtsverkehr unter Menschen in der Mehrzahl der Fälle zu Zeitpunkten statt, zu denen keine Befruchtung möglich ist. Und wir haben Sex nicht nur zur »falschen« Zeit im Zyklus, sondern wir setzen ihn auch während der Schwangerschaft und nach den Wechseljahren fort, wenn wir sicher wissen, daß es nicht zur Befruchtung kommen kann. Viele meiner Freunde in Neuguinea fühlen sich verpflichtet, bis zum Ende der Schwangerschaft sexuell aktiv zu bleiben, denn sie glauben, die wiederholte Zufuhr von Samen liefere das Baumaterial für den Körper des Kindes.
     
    Aus »biologischer« Sicht erscheint die menschliche Sexualität also als gewaltige Energieverschwendung – falls man der katholischen Lehre folgt und die Funktion der Sexualität mit der Befruchtung gleichsetzt. Warum signalisieren Frauen nicht eindeutig den Zeitpunkt des Eisprungs wie die meisten anderen weiblichen Tiere, so daß wir den Sex auf die Augenblicke beschränken könnten, in denen er uns nützt?
     
    In diesem Kapitel erörtere ich die Evolution des verborgenen Eisprungs, der fast ständigen Zugänglichkeit der Frauen und der Sexualität zum Vergnügen – eine Dreiheit seltsamer Verhaltensweisen, die ein Kernstück der menschlichen Sexualität bildet.
    Jetzt sind Sie vielleicht zu dem Schluß gelangt, ich sei das Musterbeispiel eines Wissenschaftlers, der in seinem Elfenbeinturm sitzt und nach nicht vorhandenen Problemen sucht, um sie zu lösen. Ich höre schon, wie ein paar Milliarden Menschen auf der Erde protestieren. »Es gibt kein Problem, das man erklären müßte, außer der Frage, warum Jared Diamond so ein Idiot ist. Du verstehst nicht, warum wir andauernd Sex betreiben? Natürlich weil es Spaß macht!«
     
    Aber leider sind Wissenschaftler mit dieser Antwort nicht zufrieden. Auch wenn Tiere Sex machen, sehen sie aus, als hätten sie Spaß dabei, soweit man das nach ihrer heftigen Beteiligung beurteilen kann. Bei Beutelmäusen scheint der Spaß sogar noch viel größer zu sein als bei uns, falls die Dauer ihres Geschlechtsaktes (bis zu zwölf Stunden) ein Zeichen dafür ist. Warum macht Sex aber den meisten Tieren nur dann Spaß, wenn das Weibchen auch befruchtet werden kann? Verhalten entwickelt sich, genau wie die Anatomie, durch natürliche Selektion. Wenn Sex also erfreulich ist, muß auch für diese Tatsache die natürliche Selektion verantwortlich sein. Ja, Sex macht auch Hunden Spaß, aber nur zur richtigen Zeit: Sie haben wie die meisten Tiere ein gutes Gespür dafür entwickelt, sich nur dann mit Sex zu vergnügen, wenn er zu etwas nütze ist. Die natürliche Selektion begünstigt diejenigen Individuen, die aufgrund ihres Verhaltens die meisten Gene an ihre Nachkommen

Weitere Kostenlose Bücher