Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
den Spieler ein Gewinnspiel. Diese simple Konfiguration der beiden Spiele durchbricht die Barriere zur Gewinnzone. Finden wir eine Spielbank, die bereit ist, ein solches Spiel gegen uns zu spielen, so können wir mit entsprechend viel Zeit beliebig reich werden.
Diese Tatsache wirkt mit der Wucht einer Sensation. Es handelt sich um einen zunächst ganz rätselhaften Effekt, welcher sich aber mathematisch sauber beweisen und durch Simulationen realisieren lässt. Magno cum gaudio lassen sich also mit etwas Raffinement zwei Verluste zu einem Gewinn kombinieren. Das ist eine ermutigende und zum Bleiben bestimmte Erkenntnis. Und ein prima Prinzip, das sich über Spielernaturen aller Couleur herabsenkt wie ein Angebot, das man nicht ablehnen kann.
Gegenwärtig wird untersucht, ob und wie das Phänomen verallgemeinerungsfähig ist. Wäre es nicht schön, zwei verlustträchtige Aktien zu einer Gewinnaktie kombinieren zu können, zwei Krankheiten zu einer Gesundheit, zwei unerfreuliche Gefühle zu einem angenehmen … generell mit zwei Negativa das Negative als solches bemeistern zu können?
Abbildung 26[ 1 ]: Parrondos Paradoxon: Verlauf der Spiele 1, 2, 3, gemittelt über jeweils 10.000 Spielserien der Länge 100
Man kann das Hintergrundphänomen des Paradoxons besser begreifen, wenn man an den analogen Mechanismus einer Rätsche denkt. Dies ist ein Bauteil mit schiefen Zähnen, wie es auch in mechanischen Uhren eingebaut ist. Parrondos Paradoxon kann man auf intuitiver Ebene mit einer pulsierenden Rätsche vergleichen und so leichter verstehen. Die Zähne einer pulsierenden Rätsche klappen periodisch ein und aus, ähnlich einer Treppe, deren Stufen abwechselnd da sind und nicht da sind. Ein kleiner Ball würde in beiden Fällen – auf der Treppe und auf der schiefen Ebene – jeweils abwärtsrollen.
Abbildung 27: Pulsierende Rätsche
Bei einem alternierenden Wechsel zwischen den beiden Zuständen Treppe und Ebene wird der Ball aber gegen das Gefälle nach oben massiert.
In solcher Sicht verliert das Paradoxon etwas von seinem Schockwert. Dazu mag auch hilfreich sein, die beiden zufallsbestimmten durch zwei deterministische Verlustspiele X und Y zu ersetzen, bei denen im Folgenden der Buchstabe n den aktuellen Gewinn des Spielers bezeichne:
Spiel X: Ist n gerade, dann gewinnen Sie 1 Euro, andernfalls verlieren Sie 3 Euro.
Spiel Y: Ist n ungerade, dann gewinnen Sie 1 Euro, andernfalls verlieren Sie 3 Euro.
Spielt man nur X oder nur Y, so verliert man kontinuierlich Geld. Doch in der alternierenden Reihenfolge XYXYXY…, beginnend mit 0 Euro, hat man ein Gewinnspiel vor sich.
Es gibt auch ein räumliches Analogon zu Parrondos Paradoxon. Angenommen, wir betrachten eine große Zahl von Städten, die wir von 1 beginnend fortlaufend nummerieren. Die Buslinie X biete Verbindungen von Stadt n nach Stadt n + 1 und zurück an, für alle geraden n. Entsprechend biete Buslinie Y Verbindungen von n nach n + 1 und zurück für alle ungeraden n. Wenn man nur Tickets der Buslinie X oder nur der Buslinie Y kauft, fährt man ständig zwischen dem Ausgangspunkt und einer benachbarten Stadt hin und her und kommt nicht weiter. Doch wenn man Tickets beider Linien kauft und diese alternierend einsetzt, kann man beliebig weit fahren.
Biobeimischung dieser Miniatur. Zum Schluss sei noch ein Beispiel aus der Natur erwähnt: In der Landwirtschaft ist es wohlbekannt, dass sowohl Insekten wie auch Spatzen allein das ganze Getreide einer Saison auffressen und so die Ernte vermasseln können. Gibt es aber in einem Jahr sowohl Spatzen als auch Insekten, dann kann man mit einer ertragreichen Ernte rechnen.
Parrondos Paradoxon ist Realität. Es ist die faszinierende Kopplung zweier Unerfreulichkeiten zu etwas Positivem. Nicht weiter erstaunlich also, dass es neben seinem kniffligen Realbetrieb einen ganzen Überbau von philosophischen Deutungen und Missdeutungen hervorgebracht hat. Wir stehen erst am Anfang eines genauen Studiums seines ganzen Wirkungsspektrums.
Realität ist, wenn…
Die Realität ist das, was selbst dann, wenn man aufhört, daran zu glauben, nicht weggeht.
Philipp K. Dick (1928–1982), US-amerikanischer Science-Fiction-Autor
29. Duell der Köpfe
In einer Firma läuft ein Job-Interview zur Auswahl zwischen zwei Bewerbern folgendermaßen ab: Beiden Bewerbern werden zwei Zehneuroscheine und ein Zwanzigeuroschein gezeigt; jeweils einer von den insgesamt drei Scheinen wird für jeden von beiden verdeckt ausgewählt.
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