Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Um seine Möglichkeiten auszuloten, beginnen wir einmal versuchsweise mit den Energiewerten E 1 = 1 und E 2 = 1. Dann ist
E 3 = E 2 + E 1 = 2, E 4 = E 3 + E 2 = 2 + 1 = 3, E 5 = E 4 = E 3 = 5, E 6 = E 5 + E 4 = 8, E 7 = E 6 + E 5 = 13 und E 8 = E 7 + E 6 = 21.
Abbildung 23: Energiewerte der Brettreihen bei Wahl der Startwerte E 1 = E 2 = 1
Da in der Ausgangsstellung die jeweils 4 schwarzen Felder der ersten drei Reihen mit Steinen besetzt sind, ist die Gesamtenergie der Ausgangsstellung und damit zwingend auch aller anderen Stellungen, die sich aus beliebiger Zugzahl und beliebigen Zügen ergeben:
4E 1 + 4E 2 + 4E 3 = 4(1 + 1 + 2) = 16.
Wie steht es nun um die angesprochene erkenntnisfördernde Wirkung des hilfsweise eingeführten Energiekonzepts und seiner Kooperation mit dem Invarianz-Konzept? Sie bilden ein Dream-Team. Wir geben eine erste Probe von dessen Tauglichkeit. Nach den sehr nützlichen Vorarbeiten lässt sich der ins Auge gefasste Unmöglichkeitsbeweis nun mit einer ausgesprochen simplen Tatsächlichkeit ganz zügig führen: Da der Energiewert der achten Reihe E 8 = 21 ist, würde ein einziger auf ihr platzierter Stein bereits den Gesamtenergiewert 16 aller legalen Stellungen überschreiten. Also ist eine solche Stellung nicht erreichbar. Wir können jetzt definitiv verkünden, dass und warum kein Stein die achte Reihe erreichen kann.
Der virtuose Umgang mit dem Energiekonzept hat das Problem bewältigt. Doch im Hochgefühl des Erfolges könnte man in seiner Konkursmasse noch weiter sondieren wollen. Der gewählte Ansatz hat noch unausgelotete Entfaltungsmöglichkeiten in seinem Wirkungsradius.
Nichts hindert uns etwa daran, in den ersten beiden Reihen mit einer anderen Belegung der Energiewerte zu experimentieren, wodurch sich eventuell noch weitere Erkenntnisse über dieses Spiel gewinnen lassen. Setzen wir etwa E 1 = 0 und E 2 = 1, so stellt sich die folgende Energieverteilung auf dem Brett ein:
Abbildung 24. Energiewerte bei Wahl der Startwerte E 1 = 0, E 2 = 1
Nur eine kleine Intervention ist das, doch sie wird neue Einsichten vermitteln. Bei dieser Wahl hat die Anfangsstellung eine Gesamtenergie von 4E 1 + 4E 2 + 4E 3 = 8. Das ist gleichzeitig der Energiewert E 7 der siebten Reihe. Was können wir ableiten, wenn diese beiden Halbgedanken im Kopf aufeinandertreffen? Offenbar dies: Wenn die siebte Reihe erreicht werden soll, benötigt man dafür alle Steine, die anfangs nicht auf der ersten Reihe stehen. Mit anderen Worten: Konfigurationen mit einem Stein auf der siebten Reihe können höchstens noch Steine auf der ersten Reihe, deren Energiewerte null sind, enthalten. Eine Inspektion des Diagramms 23 und der Energiewerte auf der ersten und siebten Reihe erlaubt dann noch den weitergehenden Schluss, dass bei Erreichen der siebten Reihe noch genau 3 weitere Steine auf der ersten Reihe stehen müssen, um die Gesamtenergiebilanz auf 1 · E 7 + 3 · E 1 = 1 · 13 + 3 · 1 = 16 zu bringen.
Noch eine abschließende Frage sei neugierdehalber gestellt. Ist es möglich, 2 Steine auf die sechste Reihe zu hieven? Diagramm 23 schließt diese Möglichkeit nicht explizit aus, sondern lässt die Antwort offen. Der wichtigste Hebel zur Beantwortung dieser Frage ist wiederum das Energieprofil von Diagramm 24. Daraus liest man die Unmöglichkeit sogleich ab: Die Energiesumme der beiden Steine auf der sechsten Reihe läge bei 10, doch die Gesamtenergie der Anfangsstellung ist lediglich 8. Also ist auch dies nicht machbar.
Denken ist immer auch ein Realfight zwischen einem Denker und einer Problemwelt. Mit der richtigen Idee als Ass im Ärmel, der richtigen Denkfigur aus der Ideenkiste wird auch das Komplizierte bisweilen überraschend einfach. Auch Ideen können passen wie angegossen. In diesem Fall leistete dies die Energie.
So weit die Analyse: ein Gemisch aus Plänen, deren Misslingen und dessen Bewältigung, bis der Kopf die tragende Idee freigibt. Wer will, kann diesen Klassiker mit der Energieidee noch weiter assoziieren.
27. Das Zaraspiel
Quando si parte il gioco della zara
Colui che perde si riman dolente
Repetendo le volte, e tristo impara.
Dante Alighieri, Purgatorio, VI, 1–3
Übersetzt: Beim Abschiednehmen nach dem Zaraspiel/Bleibt der zurück, der verlor, voll Leid/Und probt zum Lernen Würfe aus.
Bei dem von Dante Alighieri (1265–1321) im Purgatorio seiner Göttlichen Komödie erwähnten Zaraspiel werden 3 Würfel geworfen. Die Spieler müssen zuvor die Summe der Augenzahlen
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