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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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viele Täter wird sich auch Eberts Helfer verstellen und lügen. Ja, das stimmt. Allerdings haben wir es in diesem Fall nicht mit einem abgestumpften Verbrecher aus Habgier zu tun, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem verführbaren Menschen, der aus höchst emotionalen Bedürfnissen heraus handelt. Er wird sich darum eher verraten, denn er steckt in einem Dilemma: Er will nicht enttarnt werden und muss deshalb so tun, als würde er Ebert verabscheuen. Doch in Wahrheit handelt er vermutlich aus der Überzeugung, dass Ebert Unrecht widerfahren ist, und empfindet eine tiefe Bewunderung und Loyalität für ihn. Wenn wir klug vorgehen, wird diese Haltung durchschimmern. Ich schlage den Kollegen vor, einen Leitfaden für die Vernehmungen zu erstellen.
    Wichtig ist die Reihenfolge der Fragen. Wir beginnen mit Fragen, die harmlos erscheinen, eindeutig zu beantworten und von uns überprüfbar sind: »Wie haben Sie Ebert kennengelernt?« – »Wie häufig hatten Sie Kontakt?« – »Welcher Art war der Kontakt?« Hier kreisen wir ein, ob Ebert nahe genug an den Verdächtigen herankommen konnte, und legen die Grundlage für die folgenden persönlicheren Fragen.
    »Wie würden Sie ihn charakterisieren?« Wer häufig Kontakt hatte, aber jetzt behauptet, er kenne ihn nicht gut, macht sich verdächtig: Ebert redet nicht übers Wetter, er hat ein nicht zu bändigendes Bedürfnis, Nähe und Vertrautheit herzustellen, sein Innerstes nach außen zu kehren.
    »Wie erklären Sie sich seine Taten? Ist er dafür verantwortlich?« – »Für wie gefährlich halten Sie ihn?« Hier kann der Helfer Probleme bekommen. Um von sich abzulenken, müsste er behaupten: »Für sehr gefährlich, er gehört unter Verschluss!« Aber zumindest unbewusst spürt er den Drang, sich zu rechtfertigen, nicht nur aus Sympathie für Ebert. Ihn plagt auch eine Sorge: Wenn ich jetzt sage, dass ich Ebert für einen gefährlichen Mörder halte, aber später kommt vielleicht heraus, dass ich ihn befreit habe – wie stehe ich dann da?
    »Was hat Ihnen der Kontakt zu Ebert bedeutet?« – »Was hat der Kontakt für Ebert bedeutet?« Der Verdächtige steht nun unter Druck. Er muss erklären, warum er so oft mit Ebert gesprochen hat. Auch wenn er seine eigene Wertschätzung für Ebert verbergen kann, wird eines durchschimmern: wie wichtig er als Bezugsperson für Ebert war und dass ihn das auch stolz macht.
    »Was haben Sie gedacht, als Sie von der Flucht hörten?« Diese Frage ist für den Helfer schwer spontan zu beantworten, denn er war ja bei der Flucht dabei. »Hat Ebert mit Ihnen jemals über seine Fluchtpläne gesprochen? Wenn nein, weshalb nicht, wo Sie doch so eine enge Vertrauensperson waren?« Sicherlich wird der Helfer sich herauswinden, aber die Art, wie er das tut, wird sehr aussagekräftig sein. »Wo könnte er sich aufhalten?« Das nächste Dilemma. Er muss jetzt eine falsche Fährte legen. Er wird wahrscheinlich gerade dadurch auffallen, dass er etwas sagt, das zu Ebert überhaupt nicht passt.
    Am Ende der Befragung wird uns der Helfer genügend Anhaltspunkte gegeben oder sich so in Widersprüche verstrickt haben, dass er aus den anderen rund fünfzig potentiellen Unterstützern heraussticht.
    Ralf Trinkmann sticht heraus.
    Trinkmann kennt Ebert aus der Untersuchungshaft in Hamburg, wo er selbst wegen Urkundenfälschung einsaß. Trinkmann ist Jurist, hat wegen einer Vorstrafe seine Zulassung verloren und arbeitet jetzt als Sachbearbeiter in einer kleinen Kanzlei im Hamburger Umland. Er berät auch Ebert in juristischen Fragen.
    Der vorbestrafte Jurist ist bei der Vernehmung anfangs nervös, spricht dann wie ein Buch, gerät aber, als das Diktiergerät angeschaltet wird, ins Stocken. »Ich habe Ebert bei den Hofgängen im Gefängnis kennengelernt, das hohe geistige Niveau hat mir imponiert.« Bewunderung!, schreibe ich dahinter, als ich später das Protokoll lese. »In der Klinik habe ich Ebert regelmäßig besucht, wir haben einmal pro Woche telefoniert. Als ich das Mandat übernommen habe, hat sich das Verhältnis aber entprivatisiert.« Auch bei seinen Besuchen am Sonntag? Nein, die seien dann doch wieder privat gewesen. Ich kritzle einen roten Blitz aufs Blatt. »Ebert hat mir am Montag vor seiner Flucht am Telefon erzählt, dass die Therapie beendet wird und er ins Gefängnis muss. Wir haben einen Besuch für Donnerstag vereinbart.« Und sofort schiebt er hinterher: »Darum hat mich seine Flucht am Mittwoch so überrascht!« Der nächste

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