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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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die Kapverden, eine Inselgruppe vor Afrika. Seine Familie ist in den Plan nicht eingeweiht. Aber: »Ohne Hilfe ist M. E. nicht in der Lage, diese Zeit der Verwandlung durchzuführen.«
    Das klingt plausibel.
    Bald schon sitzen die Ermittler dem Absender gegenüber, der noch immer sehr wütend auf Markus Ebert ist. Ein Türsteher, der wegen Körperverletzung einsitzt. Er teilte einst in der Untersuchungshaft mit Ebert die Zelle. Auch er ließ sich von Eberts Freundlichkeit und Charme überzeugen, war sicher, dass dieser unschuldig ist, so glaubwürdig wirkte sein netter Zellenkollege. Als Ebert später gestand und verurteilt wurde, brach für den Zellennachbarn eine Welt zusammen: Wie konnte er sich so blenden lassen! Im Gespräch schwört der Mann: Er würde alles tun, um uns zu helfen, dass wir diesen »Sittich« fassen, wie die verhassten Sittlichkeitsverbrecher im Knast genannt werden. Aber mehr, als er geschrieben hat, weiß er leider auch nicht.
    Zwei Wochen sind mittlerweile vergangen. Die Presse fragt ständig nach, warum der gefährliche Mörder weiterhin auf freiem Fuß ist. Unsere Arbeit wird immer wieder kritisiert, angeblich habe es Pannen gegeben, wir hätten beispielsweise ein veraltetes Bild zur Fahndung herausgegeben. Es sind aber andere Berichte, die ein größeres Problem für uns darstellen. Eine Zeitung interviewt einen Parapsychologen, der Ebert während einer Séance auf einer Insel mit Windmühlen gesehen haben will. Dutzende Hinweise von Inseln und Windmühlen gehen bei uns ein. Ein anderes Blatt spricht mit dem Abenteurer und Dschungelexperten Rüdiger Nehberg. Er sagt, ein Mensch könne in den Wäldern um Hamburg wochenlang überleben, wenn er sich etwa von Würmern ernähre. Wir müssen die Bevölkerung beruhigen, indem wir erklären, wie ausgesprochen unwahrscheinlich es ist, dass Ebert in einem Wald haust und Würmer kaut.
    Aber die aufgeregte Berichterstattung bietet uns auch eine Chance. In Eberts Versteck steht bestimmt ein Fernseher, und gewiss lässt er sich auch mit den neuesten Zeitungsartikeln versorgen. Diesen Genuss, derart im Mittelpunkt zu stehen, würde ein Narzisst sich nicht entgehen lassen. Und ein Paranoiker will unbedingt wissen, was die Polizei vorhat. Können wir auf diesem Wege Einfluss auf Ebert nehmen? Wir erstellen ein Medienkonzept. Wir müssen verhindern, dass er mordet. Und vielleicht können wir ihn auch zu einem Fehler bewegen.
    Gemeinsam mit dem Soko-Chef Reinhard Chedor und dem Pressesprecher Werner Jantosch überlege ich, wo wir ansetzen können. Sollen wir Ebert provozieren? In aller Schärfe und Deutlichkeit über seine Gefährlichkeit berichten? Wir könnten klarstellen, wie unglaubwürdig die vermutlichen Fluchtgründe sind, über die in den Zeitungen auch schon berichtet wurde: die angeblich falsche Therapie. Wir könnten ihn enttarnen als nicht therapiefähig und darum gefährlich. Wie würde er reagieren? Ich glaube, die Chancen wären nicht gering, dass er aufgrund seines gekränkten Narzissmus klarstellen will, dass er gut und nicht böse ist, ein Opfer und kein Täter. Vielleicht würde er bei einer Zeitung oder einem Radiosender anrufen, um sich ins rechte Licht zu rücken. Mit einer Fangschaltung könnten wir ihn ausfindig machen. Es könnte aber auch etwas anderes passieren: Diese Kränkung trifft ihn so sehr, dass er seine Frustration irgendwie abbauen muss. So wie er sie schon mindestens drei Mal abgebaut hat.
    Nein, die emotionale Belastung für Ebert muss so niedrig wie möglich bleiben.
    Sollten wir Verständnis für seine Lage und seinen Ausbruch zeigen, um ihn zu beruhigen? Nein! Das wäre ein falsches Signal an die Öffentlichkeit und auch an die Angehörigen seiner Opfer. Wir müssen Fahndungsdruck aufbauen: so viel, dass er sein Versteck nicht verlässt. Denn wenn er beginnt, durch die Straßen zu streifen, kann es gefährlich werden. Wir müssen über die Medien deutlich signalisieren, dass wir jeden Winkel der Stadt im Auge behalten und die Bevölkerung uns bei der Suche unterstützt. Aber ansonsten sollten wir versuchen, seine Kränkung möglichst gering zu halten. Ich blicke auf die Zeitungsartikel. Mit Rotstift habe ich einige Stellen markiert: »Monster!«, »Bestie!« Die Aggression, die solche narzisstischen Kränkungen hervorrufen, kann ein Mann mit dem geschilderten Profil auf Dauer nicht still hinnehmen. Wir müssen versuchen zu verhindern, dass die Belastung zu groß wird. Die Medien sind unabhängig, das wissen wir.

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