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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brockmann
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wird es zur Katastrophe kommen.
Zweifeln Sie nicht an meiner Entschlossenheit meine Worte auch in die Tat umzusetzen!
Ich melde mich wieder in ca. 2 Wochen.
    Ein weiterer Erpresserbrief folgt. Er enthält als Beweis für seine Echtheit eine Probe des selbstgemischten Sprengstoffs, eine Zeichnung mit der Verschlusskappe der Rohrbombe und die Aufforderung, mittels folgender Anzeige im Hamburger Abendblatt zu signalisieren, dass Karstadt bereit wäre, zu zahlen: »Dagobert grüßt seine Neffen.«
    Nach dieser Annonce geht bei Karstadt schon bald der nächste Brief ein, die »Sehr geerten Herren« sollen auf einen Anruf warten. Dann wird der Absender die Lücken des folgenden Textes füllen:
»Sie fahren am 15. Juli auf der Bundesstraße Nr._____ca. zum Kilometerstein___ nahe ____.«
    So beginnt im Sommer 1992 meine Bekanntschaft mit jenem Mann, der als »Dagobert« in die Kriminalgeschichte eingehen wird. Ich werde ihn niemals persönlich treffen.
    Zu Beginn wissen wir noch wenig über ihn. Wir können davon ausgehen, dass wir es mit einem Mann zu tun haben, denn fast alle Erpresser ohne politischen Hintergrund sind Männer, noch dazu wenn sie als Einzeltäter auftreten. Auch das technische Vorgehen mit Bombenanschlägen weist auf einen männlichen Täter hin. Und da er bereits eine Bombe gezündet hat, weiß er sicherlich, dass die Polizei eingeschaltet ist. Nun müssen wir mehr über ihn herausbringen. Man kann viel über Menschen erfahren, auch ohne ihnen begegnet zu sein. Unser Verhalten hinterlässt Spuren, Informationen darüber, welche Fähigkeiten oder Schwächen wir haben, wie wir uns gegenüber anderen verhalten, wie wir sozial eingebunden sind und in welcher psychischen Verfassung wir uns befinden. Es gibt Hinweise auf unsere Einstellungen zu Menschen, zum Leben und zum Tod – und zur Gewalt. Und nicht nur das, was wir tun, verrät viel über unseren Charakter – auch das, was wir nicht tun.
    Aus diesem Grund ist das »perfekte Verbrechen« eine Illusion. Die menschliche Persönlichkeitsstruktur ist zu mächtig. In jeder unserer Handlungen zeigt sie sich, ob wir es wollen oder nicht. Das macht uns berechenbar, und es zeigt unsere Schwachstellen auf.
    Ich sitze in meinem kleinen Büro in einem alten Kasernengebäude der Landespolizeischule, wo wir drei Psychologen damals noch untergebracht sind, als mich der Leiter der Verhandlungsgruppe anruft: »Wir haben eine Erpressung, wann kannst du hier im Präsidium sein?« Fünf Jahre arbeite ich zu dem Zeitpunkt bei der Polizei. Manche der Beamten begegnen uns Psychologen mit Skepsis. Sie haben die langjährige Erfahrung von der Straße, und was sollen wir mit unserem theoretischen Wissen darüber hinaus zu Ermittlungen beitragen? Bei »Dagobert« wird sich zeigen, dass ein derart großer Fall nur zu bewältigen ist, wenn die Polizei alle Kompetenzen und Professionen nutzt.
    Eine Erpressung also.
    Mehrmals im Jahr gehen bei großen Konzernen Erpresserschreiben ein. Nur selten stellen die Verfasser eine ernsthafte Bedrohung dar. Manchmal werden die Briefe gleich in Serie an verschiedene Konzerne gesandt, manchmal sind die Ankündigungen so absurd, dass klar ist: Der Absender droht nur zum Schein. In manchen Fällen aber kann es gefährlich werden. Dagobert ist gefährlich. Er hat nicht nur massiv gedroht, sondern sogar seine Fähigkeit und Bereitschaft zur Gewalt bewiesen, bevor er überhaupt eine Forderung gestellt hat.
    Die Kollegen haben mir den Brief gefaxt, und ich schaue ihn an. Was soll die Skizze seiner Bombe? Warum hat er eine Probe des Sprengstoffes mitgeschickt? Dient das tatsächlich nur dem Echtheitsnachweis? Steckt dahinter nicht ein weiteres Signal: »Ich habe noch mehr«? Soll uns die Skizze zeigen, dass der Täter die Bomben selbst gebastelt hat und jederzeit in der Lage wäre, dies zu wiederholen? Und steckt dahinter vielleicht auch das Bedürfnis nach Hochachtung vor seinen Fähigkeiten? Noch kann ich nicht viel über diesen Menschen sagen.
    Aber eines ist sicher: Er meint es ernst.
    Wir stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Die Polizei muss nicht nur Verbrecher fassen. Das höchste Ziel für uns ist: Wir müssen möglichst verhindern, dass der Täter Schaden anrichtet, insbesondere jemanden verletzt oder gar tötet. Hier kommt eines meiner wichtigsten Aufgabengebiete zum Tragen, die »Risikoeinschätzung«: Wie gefährlich ist aus psychologischer Sicht ein Täter – und wie können wird diese Gefahr eindämmen?
    Also fahre ich ins Präsidium

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