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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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würden sich nun auf den Anbau und die Ausfuhr von Kaffee konzentrieren.
    Für die Kaffeeproduktion benötigte man Land und Arbeitskräfte. Die Liberalen ermöglichten die Privatisierung von Grund und Boden, um Raum für die Kaffeeplantagen zu schaffen, wobei es sich eher um einen Landraub handelte, der ihnen gestattete, Flächen, die vorher Gemeinschaften oder der Regierung gehört hatten, an sich zu bringen. Obwohl das Vorgehen der Machthaber heftig umstritten war, setzten sie sich infolge der äußerst extraktiven politischen Institutionen und der politischen Machtkonzentration in Guatemala schließlich durch. Zwischen 1871 und 1883 gingen fast eine Million Morgen, in erster Linie indigenes Gemeindeland und etliche Grenzgebiete, in die Hände der Elite über, und erst dann entwickelte sich der Kaffeeanbau rapide. Das Ziel war die Schaffung großer Plantagen. Die privatisierten Grundstücke wurden meistens an Angehörige der traditionellen Elite oder an mit ihnen verbundene Kreise versteigert. Dann nutzten die Liberalen die Macht des Staates, um den Großgrundbesitzern Arbeitskräfte zu verschaffen, indem sie verschiedene Zwangssysteme übernahmen und intensivierten. Im November 1876 schrieb Präsident Barrios allen Gouverneuren von Guatemala:
    Da das Land ausgedehnte Flächen besitzt, die es unter Einsatz der Vielzahl von Arbeitern, die heutzutage nicht an der Entwicklung der produktiven Elemente der Nation beteiligt sind, für den Anbau nutzen muss, sind Sie aufgefordert, den Export von landwirtschaftlichen Produkten nach Kräften zu unterstützen:
    1. Den Eigentümern von Fincas [Farmen] ist in den Bezirken, in denen sie Arbeitskräfte anfordern, die Zahl der Arbeiter, die sie benötigen – seien es fünfzig oder hundert – aus den Indianerdörfern in Ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung zu stellen.
    Das repartimiento , die Zwangsarbeitspflicht, war nach der Unabhängigkeit nie abgeschafft worden, doch nun vergrößerten sich ihr Ausmaß und ihre Dauer. 1877 wurde das System durch Dekret 177 untermauert, in dem es hieß, dass Plantagenbesitzer von der Regierung bis zu sechzig Arbeiter für fünfzehn Tage anfordern konnten, wenn sich ihr Grundbesitz im selben Bezirk befand, sowie für dreißig Tage, wenn er in einem anderen Bezirk lag. Der Antrag konnte jederzeit erneuert werden. Der Erlass ermöglichte es, Arbeiter gewaltsam zu rekrutieren, wenn sie nicht anhand ihres persönlichen Arbeitsbuches ( libreta ) nachweisen konnten, dass sie solche Dienste jüngst zur Zufriedenheit geleistet hatten. Sämtliche Landarbeiter hatten dieses Buch bei sich zu tragen, das Einzelheiten über ihre Arbeitsherren und mögliche Schulden enthielt. Landarbeiter, die, was häufig vorkam, bei ihren Arbeitsherren verschuldet waren, durften ihre Beschäftigung nicht ohne Sondergenehmigung beenden. Dekret 177 verfügte weiterhin, dass nur diejenigen, die bei einem Arbeitsherrn verschuldet waren, von dem Einzug zum repartimiento verschont wurden. Damit saßen die Arbeiter in der Falle. Außerdem verabschiedete man etliche Landstreicherei-Verbote, damit jeder, der keine Beschäftigung nachwies, sogleich für das repartimiento oder für andere Arten der Zwangsarbeit auf den Straßen oder auf einer Farm rekrutiert werden konnte. Wie im Südafrika des 19. und 20. Jahrhunderts war die Bodenpolitik nach 1871 darauf angelegt, die Subsistenzwirtschaft der einheimischen Völker zu untergraben, damit sie für niedrige Löhne arbeiten mussten. Das repartimiento wurde bis in die 1920er Jahre beibehalten, und das libreta -System und die Landstreicherei-Verbote waren sogar bis 1945 in Kraft, als Guatemala ein erstes kurzes Aufblühen der Demokratie erlebte.
    Genau wie vor 1871 regierte die guatemaltekische Elite mit Hilfe militärischer Machthaber. Dies war auch nach dem Beginn des Kaffee-Booms der Fall. Jorge Ubico, von 1931 bis 1944 Präsident, amtierte am längsten. Er gewann die Wahl 1931 ohne Gegenkandidaten, da niemand töricht genug war, gegen ihn anzutreten. Wie das Consulado unternahm er nichts, was zu schöpferischer Zerstörung geführt und seine politische Macht sowie seine Gewinne und die der Elite gefährdet hätte. Deshalb lehnte er die Industrialisierung aus dem gleichen Grund ab wie Franz I. in Österreich-Ungarn und Nikolaus I. in Russland: Industriearbeiter konnten Probleme verursachen. Durch Gesetze, die in ihrer paranoiden Repressivität ohne Beispiel sind, verbot Ubico die Verwendung von Wörtern wie obreros

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