Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Politiker, die Bankmonopole aufzubauen suchten, im Gegensatz zu ihren mexikanischen Pendants damit rechnen mussten, durch Wahlen abgestraft zu werden. Die Schaffung von Bankmonopolen, die Politikern Kredite gewähren, ist ein gutes Geschäft für die Volksvertreter, wenn sie dabei ungeschoren davonkommen, doch es ist nicht besonders gut für die Bürger. Anders als in Mexiko konnten die Wähler in den Vereinigten Staaten ihre Politiker im Zaum halten und sich derjenigen entledigen, die ihre Ämter nutzten, um sich selbst zu bereichern oder Monopole für ihre Kumpane zu schaffen. Infolgedessen zerfielen die Bankmonopole. Die insbesondere im Vergleich mit Mexiko breite Verteilung politischer Rechte in den USA garantierte einen fairen Zugang zur Finanzwirtschaft und zu Krediten. Dies wiederum hatte zur Folge, dass Menschen mit Ideen und Erfindungen davon profitieren konnten.
Pfadabhängiger Wandel
Die Welt änderte sich in den 1870er und 1880er Jahren auch in Lateinamerika. Die von Porfirio Díaz gegründeten Institutionen waren nicht identisch mit den von Santa Ana oder dem spanischen Kolonialstaat geschaffenen. Die Weltwirtschaft boomte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und neue Verkehrsmittel wie Dampfschiffe und Eisenbahnen ermöglichten eine gewaltige Ausweitung des internationalen Handels. Die dadurch ausgelöste Welle der Globalisierung bewirkte, dass sich Rohstoffländer wie Mexiko – beziehungsweise deren Führungseliten – bereichern konnten, indem sie natürliche Ressourcen in das industrialisierte Nordamerika oder nach Westeuropa exportierten. Díaz und seine Spießgesellen fanden sich also in einer anderen und rasch voranschreitenden Welt wieder, und ihnen wurde klar, dass auch Mexiko sich wandeln musste. Aber das bedeutete nicht, dass sie die Kolonialinstitutionen beseitigt und sie durch ähnliche Organe wie in den Vereinigten Staaten ersetzt hätten. Vielmehr kam es zu einem »pfadabhängigen« Wandel, der lediglich zum nächsten Stadium der Institutionen führte, die bereits in großen Teilen Lateinamerikas Armut und Ungleichheit verursacht hatten.
Die Globalisierung ließ die weiten Flächen des amerikanischen Doppelkontinents, die »frei verfügbaren Grenzgebiete«, wertvoll werden. Häufig waren diese Grenzgebiete nur angeblich frei verfügbar, denn hier wohnten indigene Völker, die man brutal enteignete. Gleichwohl war das Ringen um die neuerlich wertvollen Gegenden einer der wesentlichen Prozesse im Nord- und Südamerika der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die plötzliche Erschließung der wertvollen Grenzgebiete führte jedoch nicht zu einer Parallelentwicklung in den Vereinigten Staaten und Lateinamerika, sondern zu einem weiteren Auseinanderdriften durch die bestehenden institutionellen Unterschiede, insbesondere durch jene, die den Zugriff auf das Land betrafen.
In den Vereinigten Staaten wurde durch eine Reihe von Gesetzen, von der Land Ordinance (Benutzungsverordnung) des Jahres 1785 bis zum Homestead Act (Heimstättengesetz) des Jahres 1862, breiten Bevölkerungsschichten der Zugang zu den Grenzzonen ermöglicht. Obwohl man die einheimischen Völker an den Rand gedrängt hatte, entstand dadurch ein egalitäres und wirtschaftlich dynamisches Grenzgebiet. In den meisten lateinamerikanischen Ländern dagegen sorgten die politischen Institutionen für ein völlig anderes Ergebnis. Man teilte die Grenzgebiete den politisch Mächtigen sowie denen zu, die Vermögen und Kontakte hatten, wodurch sie noch einflussreicher wurden.
Díaz begann auch, viele internationale Handelshemmnisse aus der Kolonialzeit abzubauen, weil er erwartete, sich und seinen Anhängern den Weg zu großen Reichtümern zu erschließen. Als Vorbild diente ihm allerdings weiterhin nicht die Art der Wirtschaftsentwicklung nördlich des Rio Grande, sondern das Vorgehen von Cortés, Pizarro und de Toledo, das der Oberschicht gewaltige Vermögen einbrachte, während alle Übrigen ausgeschlossen blieben. Wenn die Herrschenden investierten, wuchs die Wirtschaft zwar ein wenig, doch stets nur in enttäuschendem Ausmaß. Zudem ging das Wachstum auf Kosten derjenigen, die in der neuen Ordnung keine Rechte hatten, etwa des Yaqui-Volkes von Sonora im Hinterland von Nogales. Zwischen 1900 und 1910 wurden Schätzungen zufolge 30000 Yaqui deportiert, also faktisch versklavt, und zur Arbeit auf den Agaveplantagen von Yucatán eingesetzt. (Die Fasern der Agave waren ein wertvoller Exportartikel, da man aus ihnen
Weitere Kostenlose Bücher