Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum so scheu, MyLady

Warum so scheu, MyLady

Titel: Warum so scheu, MyLady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Elizabeth Cree
Vom Netzwerk:
die Pflichten vergessen, die seine neue Ehe mit sich brachte. Zum Beispiel musste er Sarah den Pächtern vorstellen. Sonst würde man glauben, er wollte den Anschein erwecken, sie würde nicht existieren.
    Er verabschiedete sich von Dalton und verließ das Arbeitszimmer. In der Halle verlangsamte er seine Schritte. Er wollte möglichst selten mit Sarah zusammentreffen. Bei jeder Begegnung brachte sie ihn aus seinem inneren Gleichgewicht – insbesondere mit ihrer völlig unerwarteten Sorge um sein Wohl. Gestern Abend hatte er sich gelobt, ihre Gesellschaft zu meiden, in der Hoffnung, er würde die unangenehme, verwirrende Wirkung besiegen, die sie auf seine geordnete Welt ausübte. Warum er sie gebeten hatte, in der Bibliothek auf ihn zu warten, war ihm rätselhaft. Vielleicht, weil er vorhin – angesichts ihrer kummervollen Miene – Gewissensbisse verspürt hatte. Und dann war sie davongegangen, das Kinn hoch gereckt, als wäre ihr das alles völlig egal.
    Nur widerstrebend betrat er den Raum. Sie saß an einem der Tische, über ein Buch gebeugt. Lächelnd blickte sie auf. “Was für eine wundervolle Bibliothek!”
    “Mein Großvater und mein Vater haben Bücher gesammelt. Und ich fügte einige hinzu.”
    “Welche denn?”
    “Hauptsächlich philosophische, historische, geographische und naturwissenschaftliche Werke.”
    “Keine Romane?” In Sarahs Stimme schwang sanfter Spott mit.
    “Wenn’s dich auch verblüffen mag – ich besitze sehr viele Romane.”
    “Liest du sie?”
    “O ja, meine Liebe. Ich kenne alle Bücher von Mrs. Radcliffe. Zum Beispiel las ich ‘Adeline oder das Abenteuer im Walde’ und ‘Der Italiener oder der Beichtstuhl der schwarzen Büßermönche’.”
    “Haben dir diese Geschichten gefallen?”
    “Oh, ich war fasziniert. Vor zwei Jahren brach ich mir ein Bein, und Jessica fand meine übliche Lektüre viel zu trocken. Deshalb brachte sie mir einen Stapel sehr unterhaltsamer Romane. Wenn ich mich recht entsinne, kommt in einem dieser Werke ein bluttriefendes Gespenst vor.” Als Sarah die Brauen hob, fügte hinzu: “Offenbar habe ich dich überrascht.”
    “Nun ja, die meisten Männer, auch mein Bruder …” Erschrocken unterbrach sie sich. “Oh … tut mir leid.”
    “Du musst dich nicht entschuldigen. Nur weil du deinen Bruder erwähnst, werde ich gewiss keinen Wutanfall bekommen.”
    “Aber den könnte ich dir nicht verübeln”, flüsterte sie bedrückt.
    “Sarah, mit jener beklagenswerten Affäre hattest du nichts zu tun”, versicherte Devon und stützte seine Hände auf den Tisch.
    “Doch.”
    “Unsinn! Warum bildest du dir das ein? Sicher hast du deinen Bruder und Mary nicht aufgefordert, sie sollten sich ineinander verlieben.”
    “Nein, aber …”
    “Kein Aber! Was immer du auch glauben magst –
dir
habe ich nie irgendetwas vorgeworfen.” Er richtete sich auf. “Wolltest du nicht das Haus besichtigen?”
    “Ja.” Langsam stand sie auf, und er sah ihr an, dass sie sich immer noch unglücklich fühlte.
    Der Zorn, den er so lange erfolgreich unterdrückt hatte, drohte an die Oberfläche zu dringen. So sehr er sich auch bemühte, die Tragödie in eine ferne Vergangenheit zu verbannen, sie wirkte sich immer noch auf die Gegenwart aus – und auf seine Ehe mit Sarah. Würden sie sich jemals davon befreien?
    Als er ihren prüfenden Blick bemerkte, verdrängte er seine beklemmenden Gedanken. “Komm, meine Liebe, beginnen wir unseren Rundgang.”
    Sarah hatte nur die Hälfte seiner Worte gehört. Hastig lenkte sie ihre Aufmerksamkeit von seiner tiefen, wohlklingenden Stimme auf den Kamin, über dessen gemeißelte Verzierungen er gerade sprach. Nun ging er zu einer Glastür des Salons, der an der Rückseite von Ravensheed lag. “Mein Großvater hat das Haus 1766 gebaut, zwei Jahre, nachdem der ursprüngliche Familiensitz niedergebrannt war. Als meine Großeltern Edinburgh besuchten, sahen sie ein Gebäude, das Sir William Chambers entworfen hatte. Davon war meine Großmutter hellauf begeistert. Es gefiel ihr, dass man vom Salon direkt in den Garten gehen konnte, und sie erklärte, dieses Haus müsste im gleichen Stil errichtet werden. Inzwischen ist er weit verbreitet.”
    “Sicher ist dieser bequeme Zugang zum Garten wundervoll.” Warum hatte sie nie zuvor diese faszinierende Mischung von Grün und Braun in Devons Augen bemerkt? Und das Grübchen im Kinn … Was war nur los mit ihr?
    “Vor allem, wenn es nicht regnet. Heute bleiben wir lieber in unseren

Weitere Kostenlose Bücher