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Warum so scheu, MyLady

Warum so scheu, MyLady

Titel: Warum so scheu, MyLady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Elizabeth Cree
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Mary sprach immer sehr nett von Ihnen, und Sie waren ihre liebste Freundin.”
    “Auch mir hat sie sehr viel bedeutet”, beteuerte Sarah, von wachsenden Schuldgefühlen gequält. Warum war Lady Coleridge so liebenswürdig?
    Aber in den blauen Augen lag kein Vorwurf, nur Zuneigung. “Jetzt muss ich mich verabschieden. Vielleicht besuchen Sie mich einmal zum Tee. Und dann sprechen wir in aller Ruhe über Mary, wenn es Ihnen nichts ausmacht.”
    “Natürlich nicht.”
    Lady Coleridge ergriff Sarahs Hand. “Und Sie erklären mir, warum Sie meinen Schwiegersohn geheiratet haben.” Mit diesen Worten ging sie zur Tür, die ihr ein Lakai aufhielt, und Sarah beobachtete, wie sie durch den Regen zu ihrer Kutsche eilte.
    Eine Zeit lang blieb sie reglos in der Halle stehen, dann kehrte sie langsam ins Speisezimmer zurück.
    Devon stand am Fenster. Als er ihre Schritte hörte, drehte er sich um. “Tut mir leid, ich hatte keine Ahnung, dass meine Schwiegermutter unangemeldet hier auftauchen würde. Hoffentlich hat sie dich nicht in Verlegenheit gebracht.”
    “O nein, sie war sehr freundlich – viel netter, als ich dachte …”
    “Warum hast du etwas anderes erwartet?”
    “Für sie muss es schrecklich gewesen sein, mich hier zu sehen.”
    “Wieso glaubst du das?”
    “Weil … weil ich nicht Mary bin.”
    “Nein – das bist du nicht”, stimmte er zu, und sie las tiefen Kummer in seinen Augen.
    “Tut mir so leid”, wisperte sie.
    “Du hast wirklich keinen Grund, dich zu entschuldigen”, erwiderte er tonlos und wandte sich wieder zum Fenster.
    Eine Zeit lang blieb sie unschlüssig stehen, dann verließ sie das Zimmer, weil sie sein beharrliches Schweigen nicht länger ertrug.

10. KAPITEL
    S arah nippte an ihrer heißen Schokolade und starrte aus dem Fenster des sonnigen, gemütlichen Damenzimmers. Seit ihrer Ankunft auf Ravensheed war eine Woche vergangen. Und nun schien zum ersten Mal die Sonne. Schon am zweiten Morgen hatte sie beschlossen, künftig in diesem kleinen Raum mit der grünweißen Tapete und dem Ausblick auf die geschwungene Zufahrt zu frühstücken.
    Ihren Mann sah sie nur selten. Meistens saß er im Arbeitszimmer, oder er ritt mit Mr. Dalton über die Ländereien. Sarah traf ihn immer nur abends im Speisesalon. Dort herrschte drückendes Schweigen, oder sie machten höflich Konversation.
    Beim letzten Dinner hatte er angekündigt, er würde am nächsten Morgen für einige Tage nach London fahren. Tapfer hatte Sarah ihre plötzliche Furcht verborgen und den Eindruck erweckt, es würde ihr nichts ausmachen, allein in einem Haus zurückzubleiben, wo sie niemanden kannte. Vielleicht würde sie sich etwas heimischer fühlen, wenn sie irgendwelche Pflichten im Haushalt übernehmen könnte. Aber Mrs. Humphries sah nicht so aus, als wollte sie auf einen Teil ihrer Kompetenzen verzichten.
    Sarah verspeiste ihren Toast und die Eier. Dann schob sie den Teller beiseite. Wohl oder übel würde sie sich an ihre eigene Gesellschaft gewöhnen müssen, an den Gedanken, endlose Jahre in beklemmender Einsamkeit zu verbringen.
    Nein, damit würde sie sich nicht abfinden. Entschlossen stand sie auf. Sie musste eine Beschäftigung finden. Das Haus hatte sie bereits gründlich besichtigt und viele Stunden in der Bibliothek verbracht. Am Vortag waren ihre Sachen eingetroffen, und sie hatte sich häuslich in ihrem Schlafzimmer eingerichtet. Und am Tag davor, als der Regen für ein paar Stunden nachgelassen hatte, war sie in den Garten gegangen. Sie hatte in einer idyllischen Ecke gesessen und ein Aquarell gemalt, das ihr nicht besonders gefiel. Aber Mrs. Humphries war ganz begeistert davon. Und so hatte Sarah ihr das Bild geschenkt.
    Vielleicht sollte sie die Ländereien erforschen. Von einem Dachbodenfenster aus hatte sie einen Turm entdeckt, der faszinierend aussah … Nein, sie würde nicht in ihrer Verzweiflung versinken.
    Ein paar Stunden später hatte sie sich hoffnungslos verirrt. Sie war in den Wald gewandert, hatte eine Weile an einem Bach gesessen und gezeichnet. Schließlich ging sie weiter. Eine Zeit lang war sie dem Ufer gefolgt und dann in die Richtung des Turms gebogen, den sie durch das Fenster erblickt hatte. Jetzt stand sie am Rand einer Weidefläche und wusste nicht, wo Ravensheed lag. Bedauerlicherweise hatte sie sich unterwegs keine landschaftlichen Merkmale eingeprägt.
    “Guten Tag.” Verwirrt drehte sie sich um. Hinter ihr saß ein Reiter auf einem Grauschimmel, in der Kleidung eines

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