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Warum so scheu, MyLady

Warum so scheu, MyLady

Titel: Warum so scheu, MyLady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Elizabeth Cree
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Kopf schmerzte, und sie fühlte sich elend. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen.
    Auf dem Treppenabsatz blieb sie stehen, um Atem zu schöpfen. Ein Geräusch drang aus dem kleinen Schlafzimmer, das sich so anhörte, als wäre jemand von der Tür zurückgewichen. Doch das erschien ihr unmöglich. Sie stieg weiter die Stufen hinab. Und dann traf sie ein kraftvoller Schlag. Sie schwankte und stolperte, ihr Fuß trat in leere Luft. Wie aus weiter Ferne hörte sie Jessicas Schrei – und einen anderen, der aus ihrer eigenen Kehle kam. Ihr Kopf stieß gegen die kalte Steinmauer, schwarzes Dunkel hüllte sie ein.

14. KAPITEL
    “S arah, Sarah, hörst du mich?”
    Beharrlich drang die weibliche Stimme in den Nebel, der Sarah umgab, und sie bekämpfte den Impuls, wieder in jenem dunklen Abgrund zu versinken. Als sie sich bewegte, schmerzten ihr Arm und ihre Schulter. Stöhnend öffnete sie die Augen und schaute in das angstvolle Gesicht ihrer Schwägerin.
    “Gott sei Dank!”, rief Jessica. “Ich dachte schon, du würdest nie mehr zu dir kommen. Wie … wie geht es dir?”
    “Gut …”
    “O Sarah, wie kannst du das behaupten? Deine Schulter war ausgerenkt, dein Handgelenk ist verstaucht. Und dein armer Kopf! Als du gestürzt bist, habe ich das Schlimmste befürchtet … Aber ich rede zu viel. Brauchst du irgendwas?”
    “Wasser, bitte.” Sarahs Kehle war staubtrocken, und sie spürte einen seltsamen Geschmack im Mund, der von einer beträchtlichen Dosis Laudanum stammen musste. Vage entsann sie sich, dass ihr irgendjemand die Arznei eingeflößt hatte. Danach war sie von den Schmerzen erlöst worden und in eine barmherzige Ohnmacht gefallen.
    Jessica brachte ihr ein Glas Wasser, hielt es an ihre Lippen und half ihr zu trinken. Dann sank Sarah erschöpft in die Kissen zurück.
    “Willst du Devon sehen?”, fragte Jessica. “Er macht sich furchtbare Sorgen. Die ganze Nacht saß er neben deinem Bett. Erst vor einer halben Stunde konnten Lady Coleridge und ich ihn überreden, ein bisschen zu schlafen. Aber ich glaube, er wandert rastlos in seinem Zimmer umher. Darf ich ihn holen, Sarah?”
    “Ja – natürlich.”
    Jessica eilte hinaus, und als Devon wenig später eintrat, hätte sich Sarah am liebsten unter der Decke verkrochen. Erschrocken stellte sie fest, wie erschöpft er aussah.
    “Endlich bist du wach”, begann er. “Wie fühlst du dich?”
    “Keine Ahnung …” Der sanfte Klang seiner Stimme verwirrte sie ebenso wie sein sorgenvoller Blick. “Warum bist du nicht nach London gefahren?”
    “Weil ich dich nicht allein lassen konnte – in diesem Zustand.”
    “Wie lange liege ich schon hier?”
    “Seit gestern. Erinnerst du dich an irgendetwas?”
    “Ja …” Nur an das Gefühl, in leere Luft zu stürzen, an Schmerzen und Stimmen, an das Gefühl, immer wieder die Besinnung zu verlieren und zu sich zu kommen, bis sie endgültig in tiefen Schlaf gesunken war … Etwas Sonderbares zerrte am Hintergrund ihres Bewusstseins – eine merkwürdige Erinnerung an die Sekunden vor ihrem Sturz. Doch sie war zu müde, um sich darauf zu konzentrieren, und die Augen fielen ihr zu. Ehe sie einschlummerte, glaubte sie Devons Lippen auf ihrer Stirn zu spüren.
    Devon beobachtete sie noch ein paar Minuten lang. Wie friedlich und entspannt ihr Gesicht im Schlaf wirkte … Niemals würde er das Grauen vergessen, das in ihm aufgestiegen war, als er ihren Schrei gehört und ihre reglose Gestalt am Fuß der Treppe liegen gesehen hatte. Vor Angst halb von Sinnen, war er zu Sarah gelaufen und neben ihr niedergekniet. Sie hatte geatmet, aber ihr Arm hatte seltsam verdreht unter ihrem Körper gelegen, und sie hatte die Besinnung verloren …
    Während Dalton die Kutsche holte, blieb Devon bei ihr. Die Fahrt nach Ravensheed schien eine Ewigkeit zu dauern. In wachsender Sorge beobachtete er das blasse Gesicht seiner bewusstlosen Frau. Als der Arzt ihre Schulter einrenkte und das Handgelenk bandagierte, kam sie zu sich. Später übte das Laudanum seine wohltuende Wirkung aus. Die ganze Nacht saß Devon bei ihr. Erst nach der Ankunft seiner Patentante zog er sich in sein Zimmer zurück …
    In dieser Nacht hatte er erkannt, dass er es nicht ertragen würde, Sarah zu verlieren. Er gab sich die Schuld an ihrem Unfall. Zweifellos hatten seine Küsse sie so verwirrt, dass sie auf der Turmtreppe gestolpert war.
    Als Sarah wieder erwachte, mussten mehrere Stunden verstrichen sein. Wie ihr der Stand der Sonne verriet, die ins

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