Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Arbeitsergebnissen, wenn er auf einer Iso-Matte vor der Tafel liegend arbeiten durfte. Es war auffällig, welche Strategien Adrian entwickelte, wenn die Lehrerin etwas von ihm verlangte. Erst stellte er die Ohren »auf Durchzug«, ignorierte Aufforderungen im normalen Ton völlig. Erst auf sehr energische, laute, dringliche »Anreden« reagierte er und begann die Phase der Verhandlungen und Diskussionen. Er bettelte, spielte Baby und nervte. Er scheint äuÃerst konsequentes Verhalten bisher nicht kennen gelernt zu haben. Adrian
ist im Grunde kein aggressives Kind, er ist eher total unangepasst und gerät dadurch mit seinen Mitschülern in Konflikte. Besonders bedauerlich ist, dass er aufgrund seines Verhaltens nicht die Leistungen zeigen kann, die ihm von seiner Intelligenz her möglich wären.
Kapitel 4
Der Abstieg in Stufen - Von der intuitiven Erziehung zur Symbiose
Wirft man einen Blick auf den Buchmarkt, zeigt sich ein Segment seit Jahren im stabilen Umsatzbereich: der Ratgeber. Innerhalb dieses Segmentes lässt sich dann noch einmal ein spezieller Trend ausmachen: Erziehungsratgeber erleben einen Boom, eine ganze Armada von Experten aus verschiedenen Richtungen hat hier ein Betätigungsfeld gefunden, auf dem sie sich so richtig austoben kann.
Unabhängig von der Sinnhaftigkeit dieses Treibens und der Seriösität einzelner Titel auf diesem Markt stellt sich die Frage, warum ein Thema so stark nachgefragt wird, bei dem man eigentlich vermuten sollte, dass es sich durch Ãberlieferung und Intuition quasi von selbst reguliert.
In den letzten Jahren ist der Eindruck entstanden, Kindererziehung sei etwas, was man lernen muss wie Autofahren. Nicht umsonst macht immer mal wieder das Schlagwort vom Elternführerschein die Runde, und zwar längst nicht mehr nur zum Stopfen medialer Sommerlöcher, sondern als durchaus ernst gemeinte Option, um Eltern in Kursen von geschultem Personal beibringen zu lassen, wie sie mit ihren Kindern umzugehen haben.
Eine seltsame Vorstellung, wenn man bedenkt, dass es der Welt bisher gelungen ist, Milliarden von Menschen ohne eine
solche Einrichtung zu brauchbaren Erwachsenen heranreifen zu lassen. Weil sich aber die gesellschaftlichen Voraussetzungen und damit die Beziehung von Eltern und Kindern so radikal geändert haben, beginnt selbst der Staat bzw. seine Institutionen über die Möglichkeit eines Eingriffs in die Autonomie der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder nachzudenken.
Schulen werden aktiv
Den Elternführerschein als staatlich verordnete Voraussetzung, um ein Kind in die Welt setzen zu dürfen, gibt es jedoch Gott sei Dank noch nicht. Wie eine praktische Umsetzung eines solchen Führerscheinansatzes aussehen könnte, zeigt jedoch das Beispiel der Nikolaus-August-Otto-Hauptschule in Berlin-Lichterfelde. Dort führte die Schulleitung 2003 verbindliche Seminare für Eltern ein, ohne deren Besuch diese ihre Kinder nicht auf der Schule anmelden dürfen. Geklärt werden im Verlauf dieser mehr als zweimonatigen Veranstaltung ganz grundsätzliche Fragen: »Welche Erziehungsmittel sind Ihnen bekannt?« lautet eine solche Frage, oder auch »Welche Methoden sind geeignet, mein Kind zu einer glücklichen, selbstbewussten und kooperativen Persönlichkeit zu erziehen?« Noch deutlicher, worum es geht, machen die Punkte, die am Beginn des Seminars mit den Eltern einzeln durchgegangen werden: »Wir sind für unser Verhalten selbst verantwortlich« oder auch, ganz simpel, jedoch besonders markant »Wir sind pünktlich«.
Die Lichterfelder Institution ist bisher die einzige Schule, die solche Seminare als verpflichtende Voraussetzung für die Aufnahme von Schülern eingeführt hat. Auf freiwilliger Basis praktizieren jedoch mittlerweile mehrere Einrichtungen
solche Kurse, die meist auf dem »STEP«, dem bereits vor über 30 Jahren in den USA entwickelten »Systematischen Training für Eltern«, beruhen.
Wie gesagt: Was uns an diesem »Führerschein für Eltern« heute vielleicht noch absurd erscheint, wird bei fortschreitender Entwicklung der psychischen Defizite unserer Kinder vielleicht irgendwann einmal unabdingbar werden.
Was bedeutet das für das Elternbild?
Die bisher beschriebenen Probleme der Kinder und Jugendlichen sind vor allem vor dem Hintergrund der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, aber auch zwischen weiteren an der Erziehung der Kinder
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