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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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zugunsten der Anforderungen, die der Alltag stellt, unterdrückt. Das klingt zwar vergleichsweise banal und sollte es wohl auch sein. Doch zeigen die Klagen vieler Arbeitgeber über die Verhaltensweisen ihrer Azubis und Angestellten heute ein anderes Bild. Gerade im Bereich der Berufsausbildung spielt die Diskussion über die prinzipielle Ausbildungsfähigkeit der angehenden Arbeiter und Angestellten
eine immer größere Rolle, und Dinge wie Pünktlichkeit gehören dabei zu den wichtigsten Punkten.
    Gleichzeitig mit der hohen Frustrationstoleranz zeigt Marco mit seinem Verhalten eine weitere wichtige Eigenschaft einer gesunden Psyche. Er hat nämlich ein bestimmtes Weltbild. Dieses sieht für ihn so aus, dass er begriffen hat, dass sein Verhalten innerhalb der Gesellschaft immer auch Wechselwirkungen mit den anderen Mitgliedern dieser Gesellschaft hervorruft. Das bedeutet nicht, dass Marco sich nicht als Individuum begreift, das danach strebt, seine Bedürfnisse zu erfüllen und auch Genuss zu verspüren. Das Individuelle wird jedoch begrenzt durch die Tatsache, dass menschliches Zusammenleben nur funktionieren kann, wenn jeder den anderen als notwendige Begrenzung seiner eigenen Individualität versteht.

Übung macht den Meister - Warum sich psychische Funktionen nur durch ständiges Training bilden
    Vielleicht üben Sie selbst irgendeine Sportart aus und haben das Ziel, es dort zu einem gewissen Leistungsniveau zu bringen. Was tun Sie also, um dieses Ziel zu erreichen? Sie trainieren, nach Möglichkeit unter Anleitung eines erfahrenen Trainers, der Ihnen die Technik der gewählten Sportart beibringt und Ihnen taktische Finessen erläutert, die Ihnen in eventuellen Wettkämpfen einen Vorteil gegenüber dem sportlichen Gegner bringen könnten.
    Bei Spitzensportlern ist man schnell geneigt, deren außergewöhnliche Leistungen mit dem Stempel »großes Talent« zu versehen und es damit als Erklärung bewenden zu lassen.
    Aber ist Steffi Graf Wimbledon-Siegerin geworden, weil sie zufällig über großes Talent zum Tennisspielen verfügte?
Und hat Jürgen Klinsmann Karriere im internationalen Fußball gemacht, weil er, statt im Betrieb seiner Eltern Brötchen und Kuchen zu backen, nun mal besser mit dem runden Leder umgehen konnte? Talent hat in beiden Fällen eine große Rolle gespielt, keine Frage - den entscheidenden Kick haben beide Karrieren jedoch immer wieder durch gezieltes und intensives Training bekommen.
    Wenn Sie sich entschieden haben, auf Steffi Grafs Spuren zu wandeln, werden Sie so oft wie möglich Aufschläge üben, die Haltung des Schlägers in der Hand zu perfektionieren suchen, damit der Ball dorthin fliegt, wo Sie ihn hinhaben möchten. Die Vorstellung, einfach auf den Platz zu gehen und mit der Zeit automatisch jeden Gegner besiegen zu können, erscheint demgegenüber absurd.
    Das entscheidende Moment beim Training ist also die möglichst häufige Wiederholung bei der Einübung der Grundfunktionen. Nichts anderes passiert, wenn Eltern ihren Kindern gegenüber abgegrenzt auftreten und immer wieder durch eindeutiges Verhalten Strukturen vorgeben, die für die Ausbildung psychischer Funktionen von Bedeutung sind. Eltern, die mit ihrem Kind ständig Erwachsenenthemen diskutieren, schon Kleinstkindern weitestgehende Autonomie und Selbstständigkeit zubilligen, handeln nicht anders als ein Tennistrainer, der seinem Schützling gar nicht erst Schläger und Ball in die Hand gibt, sondern sofort beginnt, mit ihm taktische Finessen und Spielstrategie zu diskutieren. Dieser Spieler wird zwar so tun, als ob er alles verstünde, und versuchen, die Anweisungen auf dem Platz umzusetzen, kann jedoch auf Grund seiner mangelnden technischen Spielausbildung nur scheitern.
    Ãœbertragen auf die Kinder kann man etwa am Beispiel Arbeitshaltung demonstrieren, was das bedeutet. Diese muss dem Kind immer wieder abverlangt werden, damit sie sich
als Grundfunktion einschleifen kann. Sie muss von Eltern und Lehrern gebildet werden, und das funktioniert eben nicht, wenn dem Kind erstens freigestellt wird, wann es eine Aufgabe erledigen möchte, und ich zweitens bereits inhaltlich schwierige Fragen mit dem Kind zu diskutieren versuche, obwohl es mit dem eigentlichen Lernprozess, also der Aneignung von Grundlagenwissen, noch Probleme hat. Lernen lernen ist also eine Voraussetzung, um anschließend erworbenes Wissen

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