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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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würde folglich darin bestehen, sich dieser provokativ wirkenden Verweigerungshaltung von Seiten des Kindes nicht zur Verfügung zu stellen, sich also abgegrenzt zu zeigen (genau wie bei den Provokateuren, an denen man in der Stadt einfach vorbeigeht) und dem Kind damit zu bedeuten, dass es die Eltern mit seinem frechen Verhalten nicht steuern kann. Es ist sehr wohl denkbar, das Kind wegen dieser Frechheit auf sein Zimmer zu schicken. Sinn dieser Handlung wäre die räumliche Trennung, um auf diese Weise zu einem natürlichen Aggressionsabbau beim Kind zu kommen.
    Indes: Auch Eltern in der Symbiose würden ihr Kind in der gleichen Situation vielleicht aufs Zimmer schicken. Allerdings
wäre das in diesem Falle dezidiert als Bestrafung des Kindes gedacht. Die kindliche Verweigerung würde in diesem Moment als ein Nicht-Funktionieren eines eigenen Körperteiles aufgefasst, es wäre also - bildlich gesprochen - der eigene Arm des Erwachsenen, der sich weigert, die Hausaufgaben zu erledigen. Um diesen Zustand zu ändern, erfolgt der Versuch, den Arm zum Schreiben zu bewegen, indem man von außen auf ihn einwirkt (die Bestrafung des Kindes). Nicht erkannt wird dabei die Sinnlosigkeit dieses Tuns, da es so schlicht unmöglich ist zu erreichen, dass das Kind schreibt.
    Der Erwachsene erkennt also in der beschriebenen Situation nicht die Frechheit des Kindes, sondern ist lediglich bemüht, dessen scheinbare »Funktionsuntüchtigkeit« durch Abstrafen zu beheben.
    Ãœbrigens: Vielleicht stolpern Sie beim Lesen ein wenig über das kleine Wörtchen »frech« (wenn nicht: umso besser …). Das zeigt, wie sich auch unsere Umgangssprache den veränderten Gegebenheiten angepasst hat. Ein freches Kind, früher eine recht gebräuchliche Formulierung, gibt es heute kaum noch. Ausdrücke wie dieser, die eine respektlose Handlungsweise des Kindes mit einem eindeutig negativ konnotierten Begriff belegen, sind zunehmend positiv umgedeutet und mit entsprechenden anderen Begriffen ausgestattet worden. Ein Kind ist also nicht mehr frech, sondern es demonstriert Selbstbewusstsein und Handlungsinitiative!
    Die Schwierigkeit liegt darin zu verstehen, dass der Verweis des Kindes in sein Zimmer keinesfalls eine Strafe darstellt, sondern lediglich im Sinne einer zwischenmenschlichen Reaktionsweise dem Kind bedeutet, dass seine Eltern das Spiel nicht mitmachen, sich eben nicht zur Verfügung stellen und somit nicht beliebig gesteuert werden können.

    Darüber hinaus kann das Kind auf diese Weise am besten seine Aggressionen abbauen.

Auf dem Weg in ein Land, in dem Kinder gehasst werden
    Es ist mit der Unterscheidung zwischen gegenständlichem und zwischenmenschlichem Reaktionsmuster durchaus zulässig, das durch viele Studien belegte Ansteigen der Gewalt gegen Kinder in der heutigen Gesellschaft zu einem guten Teil auch auf die Beziehungsstörung der Symbiose zurückzuführen. Hält man sich dann vor Augen, dass der Anteil der Eltern, die sich bereits in der Symbiose befinden, gegenüber den Vorstufen Partnerschaftlichkeit und Projektion noch relativ gering ist, wird die gesamtgesellschaftliche Dimension des Problems deutlich. Langfristig gesehen sind wir damit auf dem Weg in ein Land, in dem Kinder gehasst werden, stehen also vor einer totalen Umkehr jeglicher historischer Überlieferung, nach der Kinder das höchste Gut und die Zukunftssicherung einer Gesellschaft darstellen.
    Wenn der »Arm« nicht mehr gehorchen will, entsteht der beschriebene Druck, die Funktionsuntüchtigkeit zu beheben. Das klappt allzu oft nicht wie gewünscht. Eben aus diesem Grunde hat verbale und auch körperliche Gewalt in den Familien signifikant zugenommen und wird nach meiner Prognose auch in näherer Zukunft weiter ansteigen.
    Die über ihren Arm verärgerten Eltern beleidigen und beschimpfen ihre Kinder manchmal auf heftigste Art und Weise, benutzten Vokabeln, die ihnen im Umgang mit Erwachsenen niemals über die Lippen kommen würden. Und es müssen auch nicht nur Worte sein. Bereits das unkontrollierte Erheben der Stimme, also das sinnlose Anschreien
eines Kindes, wenn es nicht gehorchen will, ist »verbale Gewaltanwendung«. Edukativ wird das Anschreien beim Kind ohne jeden merkbaren Erfolg bleiben, von diesem auf der Grundlage der symbiotischen Beziehungsstörung jedoch als »Zuwendung« interpretiert werden, folglich einen weiteren Beweis dafür

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