Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Entwicklung des Kindes
Körperteile werden jedoch in der Regel nicht ständig bewusst wahrgenommen, sie sind ja standardmäÃig am Körper dran. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viele Kleinkinder und Kinder unbeaufsichtigt am StraÃenverkehr teilnehmen, oft gar Gefahr laufend, tödlich zu verunglücken? Auch das liegt an einer symbiotischen Beziehungsstörung der Eltern. Das Kind wird von diesen nicht mehr wahrgenommen. War es im Rahmen der Partnerschaftlichkeit und auch der Projektion noch in seiner Präsenz wichtig, so ist es in der Symbiose vollkommen in der Psyche der Eltern aufgegangen und wird als eigenständiges Lebewesen gar nicht mehr realisiert, sondern in der beschriebenen Art und Weise als elterlicher Körperteil gesehen. Durch diese fehlende Abgrenzung bildet sich bei den Kindern eben auch die »Nervenzelle Mensch« nicht aus, den Kindern ist durch die defizitären Erwachsenen in ihrer Umgebung völlig die Möglichkeit genommen, zu lernen, dass Menschen sich anders verhalten als Gegenstände, sich also nicht freiwillig beklettern, verschieben oder gewaltsam behandeln lassen.
Was bedeutet das genau fürs Kind? Die fehlende Ausbildung der »Nervenzelle Mensch« führt zu einer Fixierung des Kindes auf der psychischen Reifestufe eines Alters von zehn bis 16 Lebensmonaten. Es verbleibt trotz steigendem Lebensalters
in der frühkindlichen Fantasie, alleine auf der Welt zu sein und alles steuern zu können, weil es nicht die wichtige Erfahrung machen durfte, dass ein Mensch sich anders verhält als Gegenstände. Im Rahmen einer Besprechung zwischen Eltern und Arzt anwesend, würde ein Kind dieser psychischen Reifestufe sich immer entsprechend dieser »ich-kann-allessteuern«-Fantasie verhalten. Es würde an alle möglichen Dinge gehen, nicht aus Interesse an den Dingen selbst, auch nicht aus eigenem Mittelpunktstreben, sondern weil es darüber bestätigt bekommt, dass die Erwachsenen in seinem Sinne reagieren. Es will erreichen, dass der Erwachsene das Gespräch unterbricht und auf das Kind eingeht, es regelt. Wichtig für eine positive Entwicklung wäre jedoch, dass der Erwachsene deutlich macht, dass er sich nicht steuern lässt.
Wenn das Kleinkind merkt, dass der Erwachsene nicht möchte, dass es an einen bestimmten Gegenstand geht, wird es erst recht an diesen Gegenstand gehen, beispielsweise an eine Lampe. Wenn der Erwachsene in dieser Situation mit Blickkontakt, also äuÃerlich erkennbarer Zuwendung auf das Kind zugeht, wird das Kind grinsend beweisen, dass es immer weiter das Licht an der Lampe an- und ausmacht. Bevor der Erwachsene das Kind greifen kann, wird es dann um den Tisch herumlaufen und es witzig finden, dass der Erwachsene es nicht erwischt. Höhepunkt dieser Szene könnte schlieÃlich sein, dass dem Erwachsenen oder dem Kind in der Aufregung die Lampe vom Tisch fällt und dabei kaputtgeht. Es kann dann passieren, dass das Kind auch das noch witzig findet und sich darüber kaputt lacht. Kinder in einer symbiotischen Beziehung sind auf Grund ihrer Fixierung in dieser frühkindlichen narzisstischen Phase immer derart respektlos, dass solche Situationen eskalieren. Die psychische Funktion des Respekts hätte sich nur bilden können, wenn durch abgegrenzte Eltern die »Nervenzelle Mensch« trainiert worden wäre.
Viel häufiger als in meiner Praxis ist diese Situation im häuslichen Umfeld anzutreffen, wenn Kinder sich weigern, Hausaufgaben zu machen, sich anzuziehen, weil ein Termin ansteht, oder bestimmte kleinere Aufträge auszuführen. Die Verweigerungshaltung des Kindes erzeugt bei den Eltern in der Regel sofort Druck, weil sie das Gefühl bekommen, dass sich ihr eigener Körperteil weigert, eine Funktion richtig auszuführen. Das Gefühl des Drucks führt zu gesteigerter Aufregung mit dem Ergebnis entsprechender Strafandrohungen oder schlieÃlich gar dem Abstrafen des Kindes.
Bleiben wir einen Moment beim Beispiel der Hausaufgaben, weil sich daran zeigen lässt, dass es weniger auf die konkrete Handlungsweise der Eltern ankommt als darauf, welches Ziel sich hinter dieser Handlungsweise versteckt, d. h., ob die Eltern zwischenmenschlich oder gegenständlich reagieren.
Bei der zwischenmenschlichen Reaktion wäre den Eltern bewusst, dass das Verweigern der Hausaufgaben eine freche Verhaltensweise des Kindes darstellt. Die normale Reaktion der Eltern
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