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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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gelassen, und geschickt hat er auch nichts.«
    »Er zahlt fast alle Rechnungen«, erzählte Maud von Chads Vater, während Shirl den Lappen in der Spüle auswrang. »Ich hätte ihn nie auf diese Uni schicken können. Sie kostet ein Vermögen. Elftausend im Jahr an Studiengebühren.« Sie schlug den Milchshake zu einer dicken Creme und goß ihn in eins der geriffelten Gläser. Die Masse war so dickflüssig, daß sie um den Strohhalm herum hochstand.
    »Was bedeutet schon Geld, Mädchen, kannst du mir das mal erklären?« fragte Shirl und vergaß anscheinend, daß sie ihrem alten Miststück vor allem finanzielle Dinge vorhielt. »Hat nix mit Geld zu tun, wenn ein Kind Charakter und Persönlichkeit hat. Ist der Milchshake für ihn?« Wieder nickte sie in Richtung Joey. »Mein Gott, hat er Geburtstag oder was?«
    Maud seufzte und ging mit dem Glas die Theke entlang. Shirl rief Joey zu, daß er eh schon genug Pickel habe und wie eine Straße voller Schlaglöcher aussähe; und seinen Chancen bei Louella Harper könne er den Abschiedskuß geben, wenn er diesen Shake trinke, Louella jedenfalls werde er dann garantiert nie küssen.
    Die sechs Gesichter an der Theke wandten sich dem Jungen zu, an den diese Worte gerichtet waren, und als Maud den Milchshake hinstellte, hörte sie, wie Joey in seine Kartoffeln mit Sauce murmelte und irgend jemanden zum Teufel wünschte. Da er nicht aufblickte, sah er nicht, daß Maud ihm ermutigend zulächelte. Er dankte ihr und hielt dabei das geriffelte Glas umklammert, als könne er sich so an seiner Mutter rächen.
    »Ein gutes Leben ist die beste Rache«, sagte Maud fröhlich, um ihn aufzuheitern.
    Sie erntete dafür einen Blick aus zusammengekniffenen Augen und die Bitte um einen Löffel für diesen »scheiß-dicken« Shake.
    Maud zog einen Eisteelöffel aus dem Plastikbesteckkasten und legte ihn vor Joey hin. Sie ging wieder zurück, um die Kaffeekanne zu holen und Ulubs Tasse erneut zu füllen. Er streckte sie nach vorn, und sein ölgeschwärzter Daumen umklammerte den Löffel. Eigentlich hätte Shirl ihm einschenken können, aber die stand nur rum und rauchte, das Thema schlechte Väter war ihr offenbar wichtiger, und so nahm sie den Faden dort wieder auf, wo sie ihn fallengelassen hatte.
    »Er zahlt, weil er ein schlechtes Gewissen hat. Das ist alles.«
    Maud spülte ein Coca-Cola-Glas aus und wiederholte, daß Chads Vater zahlte, und das sei doch immerhin etwas.
    Shirl beharrte auf ihrer Ansicht und ließ sich von Maud nicht beirren, obwohl es um Mauds Ehe und Scheidung ging und Shirl schließlich nicht dabeigewesen war.
    »Und wenn er sämtlichen Crack-Dealern von Detroit« - sie betonte Detroit auf der ersten Silbe - »das Studium in Yale finanzieren würde, so wäre das immer noch keine Wiedergutmachung dafür, daß man seine Frau und seinen kleinen Jungen verläßt« - sie spießte Maud mit ihrem Blick aus den eng zusammenstehenden Augen förmlich auf - »wegen so ’ner kleinen Nutte.«
    Shirls Vorstellung von Diskretion bestand offenbar darin, daß sie ihr übliches Gebrüll zu einem vipernartigen Wispern dämpfte, das die Theke hinabpeitschte und allen Kunden einen Stich versetzte, so daß sie kurz aufschauten, ehe sie den Blick wieder auf Teller und Tasse senkten.
    »Wenn auch ’ner hübschen Nutte«, zischte Shirl.
    Mauds Exmann war tatsächlich einmal mit seiner neuen Frau im Rainbow aufgetaucht, und das hatte Shirl eine solche Fülle von Gesprächsthemen geliefert, daß wohl nur der Herrgott persönlich, der ja nun mal bei der Schöpfung dabei war, sie übertreffen konnte. Velda, die neue Mrs. Chadwick - na ja, etwas abgenutzt war sie schon, wenn man zwei frühere Ehemänner und drei Jahre mit Ned in Rechnung stellte -, war Fotomodell und einstmalige »Miss Universe«-Anwärterin. Sie hatte markante Backenknochen, eine rotgoldene Mähne, die windzerzaust wirkte, aber, wie man ja wußte, vom Friseur so hingefönt war, eine bleistiftdünne Figur und Model-Schultern, die von Schulterpolstern ähnlich denen eines Footballspielers akzentuiert wurden. Shirl verglich sie mit der Fernsehantenne auf dem Rainbow Café, aber Maud wußte, daß Shirl sie damit nur aufbauen wollte. Die Schulterpolster steckten in einem grünen Designerkleid aus Seide. Velda glühte wie eine Neonröhre, leuchtete auf und erlosch, wie sie da im Rainbow stand und seine dunklen Nischen und die lange Theke mit so einer »Ach, wie komisch«-Miene betrachtete und sich dahin und dorthin drehte - Rumpf, Kinn und

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