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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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neues Paar Gucci-Schuhe und eine italienische Jacke trug, durch die seine Augen aussahen wie geschmolzenes Gold. Es war schon seltsam, dachte sich Maud, wie ihre eigenen stumpfen Farben sich in diese sonnige Pracht verwandelt hatten.
    Und Shirl hatte neben der Kaffeemaschine Wurzeln geschlagen, sog die ganze Szene in sich hinein wie ihren Kaffee und kostete jede gräßliche Minute davon aus.
    Es war das erste, letzte und einzige Mal, daß Maud Velda gesehen hatte.
    Als Ned die drei Gläser Eistee bezahlte und »Velvet« zurief, daß sie jetzt los müßten, hörte Maud, wie Shirl über der Kassenschublade, die herausgesprungen und ihr gegen den Bauch gestoßen war, ein rülpsendes Geräusch von sich gab.
    Ned hatte ein Trinkgeld dagelassen.
    Er hatte einen Zwanzigdollarschein zu einem kleinen Quadrat zusammengefaltet und es unter das Eisteeglas gesteckt. Das war Neds Variante von »Diskretion«.
    Niemand hatte es bemerkt - außer Chad. Er starrte auf den sich entfernenden Rücken seines Vaters, riß den Geldschein vom Tresen und stierte ihn an, als sei er eine Handgranate.
    Als Chad ihn wortlos wieder in Neds Tasche stopfte, hatte dies das wenige gerettet, was von der Situation noch zu retten war.
    Vielleicht hatte Shirl den diesjährigen Labor Day als eine Art Jubiläum des Besuchs von Velveeta (wie Shirl sie nannte) angesehen, denn sie schien nicht damit aufhören zu können, darüber zu reden, wie unmöglich und hassenswert Ehemänner waren und was sie gemacht hätte, wenn das alte Miststück mit einem neuen Anhang im Schlepptau wieder in La Porte erschienen wäre. Da sie gerade das harte Vanilleeis vom Boden des Eisbehälters loskratzte, verschwand das meiste, was sie sagte, in der fast leeren Wanne. Doch Kopf und Hand tauchten wieder empor, der Löffel wurde ins warme Wasser getunkt, und sie schrie Maud, die gerade den Zitronenbaiserkuchen aufschnitt und Shirl zu ignorieren versuchte, von einem Ende der Theke zum anderen weitere Details zu.
    Dodge Haines, der den Apfelkuchen à la mode, also nach Großmutterart, mit Eiscreme, bestellt hatte, grinste anzüglich über seiner Kaffeetasse, und auch die anderen an der Theke waren von diesem Playback des Besuchs von Mauds Exmann und seiner neuen Frau äußerst fasziniert; außerdem verschaffte es Dodge, Macho bis ins Mark, einen Anlaß, geistreiche philosophische Ansichten nach dem Motto »Halt sie kurz, und schwängere sie« mit Shirl auszutauschen.
    Die einzige Person, die genügend Geschmack besaß, um zumindest so zu tun, als höre sie nicht hin, war die große Brünette an der Theke, für die Maud gerade den Zitronenbaiserkuchen angeschnitten hatte. Es war Dr. Elizabeth Hooper, eine Frau, von der Maud kaum behaupten konnte, daß sie sie kannte, denn Frau Dr. Hooper wohnte nicht in La Porte, aber trotzdem empfand Maud unendliche Achtung und Sympathie für sie.
    Maud war von Dr. Elizabeth Hooper fasziniert. Sie kam genau einmal im Monat durch La Porte, an jedem dritten Wochenende, nach einem Rhythmus so präzise wie ein Uhrwerk. Sie war groß und elegant, trug, wenn es kalt war, schlichte Kostüme, und bei warmem Wetter schlichte Kleider. Heute hatte sie ein eisblaues Leinenkleid an. Maud musterte ihre Kleider und Accessoires stets sehr genau. An der Schulter steckte eine Goldbrosche, und sie trug einen goldenen Armreif; ihr langer, bloßer Arm ruhte auf der Theke, doch anders als Veldas Arm war ihrer bleich, ungebräunt. Schon allein dadurch wäre Dr. Hooper in Mauds Achtung himmelhoch gestiegen; sie war mit Sicherheit eine Frau, die noch andere Dinge außer Nantucket im Kopf hatte. Maud gefiel auch, daß sie an der Theke saß und nicht in einer der dunklen, hochlehnigen Nischen wie andere Frauen, die allein ins Café kamen. Maud schloß daraus auf ein gewisses Selbstvertrauen, eine gewisse Souveränität; offenbar verschwendete Dr. Hooper keinen Gedanken auf die Tatsache, daß sie als Frau allein hier war. Trotz der ganzen Frauenbewegung hatte Maud absolut keine Veränderung in der mäuschenartigen Zurückhaltung der Frauen zwischen fünfzehn und fünfzig festgestellt, in der Bedrängnis, die sie allein in einem Restaurant empfanden, als wäre es ein Pornokino.
    Da Maud sich für unheilbar schüchtern hielt, hatte es fast zwei Monate gedauert, ehe sie den Mut aufbrachte, Dr. Hooper anzusprechen. Sie konnte weder freundlich plaudern wie Charlene noch unablässig klagen wie Shirl, wenn sie hinter der Theke und zwischen den Tischen hin und her gingen. Außer mit Miss

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