Was am See geschah
Hals - als ob Ubub gleich aufspringen und Fotos knipsen würde. Wahrscheinlich war es unbewußtes Posieren, dachte Maud später nachsichtig, denn Velda entfernte sich wahrscheinlich nie weit von Kameras und Blitzlichtern.
Als sie gebräunt wie knusprige Toastschnitten und mit Chad im Schlepptau hereinspazierten, war das allein schon eine kleine Sensation - was Interessanteres würde im Rainbow nicht mehr passieren, hatte Shirl gesagt, da mit einem Angriff vermummter palästinensischer Terroristen nicht zu rechnen war. Ulub und Ubub hatten von ihren Pfannkuchen und Eiern aufgeblickt; Dodge Haines war fast von seinem Hocker gerutscht; Bürgermeister Sims, der vorbeigekommen war, um einen Kaffee zum Ausnüchtern zu trinken, bevor er Mrs. Sims unter die Augen trat, hatte mitten in seinem an Dodge gerichteten Vortrag, der nach einer alten Drogenfeldzugsrede klang, innegehalten. Es waren ein paar Streuner da (wie Shirl die Leute von der Straße nannte), die sich auf ihren Sitzen umdrehten, um ebenfalls einen Blick auf Velda zu erhaschen.
Es war genau um diese Zeit vor einem Jahr gewesen, ein paar Tage vor dem Labor Day, und Ned sagte, sie seien »ganz spontan« (von wegen, dachte sich Maud) gekommen, und Velda schlängelte sich zur Theke durch und platzte mit dieser fabelhaften Idee heraus, Chad zu einem »Inselhüpfen« mitzunehmen: Nantucket, Puget Sound, Cape Cod und Martha’s Vineyard. Und ob es Maud denn sehr viel ausmachen würde, wenn sie den Prachtburschen (Chad ließ sich nichts anmerken, hielt die Augen gesenkt und sah aus, als verursache ihm das bloße Dabeistehen Schuldgefühle) vier Tage früher entführten, sie würden natürlich dafür sorgen, daß er gleich nach diesem Wirbelwind von einem Urlaub zur Schule abschwirrte. Für Maud klang es so, als seien sie alle in einem Flugzeugpropeller eingeklemmt, doch Velda lächelte unent wegt, und ihr langer, gebräunter Arm hing lässig über die Thekenkante, als sei sie schon im Puget Sound und mache einen Kraulzug.
Und Ned. Er hatte bloß den Arm um Chads Schultern gelegt, drückte ihn gelegentlich väterlich an sich und spielte die Rolle des lachenden Dritten perfekt.
Ob es ihr was ausmachte? Natürlich machte es ihr was aus. Wollte der junge Herr, der sich nichts anmerken ließ, mitkommen? Natürlich, wenn sie auch wußte, daß ihm klar war: wie Ned und Velda plötzlich hier auftauchten und seine Mutter überrumpelten, war alles andere als die feine englische Art. Aber sie kämpften ja schließlich nicht ums Sorgerecht, es ging nur um ein schlichtes »Inselhüpfen«. Maud hatte, umringt von dem grünen Geglitzer und dieser Jovialität, hinter der Theke gestanden und sich gefühlt wie eine beige Kuh auf der Weide, die stumpf auf ihrer Antwort herumkaut.
Sie sah ihr Spiegelbild in den Augen der strahlenden Velda - Maud, mit ihrem schulterlangen, glatten, sandfarbenen Haar und den wüstenbraunen Augen, und die gewöhnlich unauffälligen Sommersprossen sahen wahrscheinlich aus wie eine neue Pickelernte. Stand da mit einem aufgesetzten Lächeln, während sie Pfeile weißglühender Wut durchzuckten.
Aber der Zorn verflog gleich wieder und machte dem Mitgefühl für Chad Platz, der sich fast die Schulter verrenkt hatte, um dem Griff seines Vaters zu entkommen, zu Ulub hinüberging, sich neben ihn setzte und ein Gespräch mit ihm anfing, eindeutig ein Akt der Verzweiflung (wenn man es aus seinem entspannten Lächeln auch nicht hätte schließen können), da keiner der Woods viel redete. Ubub spielte sich allerdings manchmal als Faktotum auf und gab an der Theke die Bestellungen weiter. Also begann Chad seinen Monolog und bot ihnen Zigaretten an (die sie anguckten, als seien es seltsame indianische Zeichen), um Maud zu beweisen, daß er diese beiden gebräunten Figuren mitsamt ihrem Angebot links liegenließ, wenn seine Mom das so wollte.
Maud lächelte weiter und sagte, klar, klar, das gehe in Ordnung, das sei sehr nett, Chad würde das sicher Spaß machen. Gab es denn einen normalen Neunzehnjährigen, dem es nicht Spaß machen würde, so sonnengebräunt wie Velda und Ned ans College zurückzukehren? Oh, La Porte hatte seinen See, aber keine Sandstrände, und die Leute badeten nicht viel, sondern beschränkten sich aufs Bootsfahren. La Porte hatte bessere Zeiten gesehen. Einst war es ein eleganter, kleiner Ferienort gewesen, doch inzwischen war es ziemlich heruntergekommen.
Velda und Ned waren gekommen und mit Chad wieder weggefahren, der (wie Maud bemerkte) ein
Weitere Kostenlose Bücher