Was am See geschah
hatte, daß eben dies die Quintessenz der Seifenopern sei: am Nachmittag erschossen zu werden und abends wieder auferstehen. Das war das Wesen der Seifenoper. Sie hatten beide so sehr gelacht, daß Maud fast die Lampe vom Pier gestoßen hätte.
Er erwartete nicht, daß die Butts lachen würden, und sie taten’s auch nicht. Carl klärte Sam auf, daß er am Nachmittag eine Wiederholung gesehen hätte. »Das ist ’ne unheimlich beliebte Sendung - läuft seit, pah - wie lange, Ma Gris, sieben, acht Jahren vielleicht?«
Sie gab ihrem Schwiegersohn keine Antwort, sondern wandte sich statt dessen an Sam. »Es sollte verboten werden.« Als man Sam die Verwirrung anmerkte, fuhr sie, noch heftiger schaukelnd - als könne sie damit ihr Argument bekräftigen -, fort: »Sehen Sie, die Wiederholungen verderben einem alles - wie bei Ihnen: erst sehen Sie, wie Blake umgebracht wird, und dann, ein paar Stunden später, erscheint er frech wie Oskar wieder auf der Bildfläche.« Wie albern ihr Einwand war, bemerkte sie nicht, sondern leckte sich befriedigt die trockenen Lippen.
Sam hatte beinahe das Gefühl, als würde er in diesen Strudel grenzenloser Unlogik hineingerissen: das Gefühl, als müsse er sie davon überzeugen, daß jeder Denver-Clan-Freak bereits gesehen hatte, wie Krystle Blake kaltmachen wollte.
Butts sagte: »Tja, aber, Ma Gris, warum ärgerst du dich denn über Blake? Krystle war’s doch. Oder?« Er wandte den Kopf in Sams Richtung.
Sam befürchtete, daß sie sich nun alle an den Verwicklungen der Denver-Clan-Kabbeleien festbeißen würden, und setzte schon an, das irgendwie abzuwenden. Es war nicht nötig, denn sie ging zum Gegenangriff über.
»Ihr Männer haltet doch immer zusammen!«
Sie mußte nicht hinzufügen, »gegen die Frauen«.
Sam hätte selber kein besseres Drehbuch schreiben können, um den Fall Loreen Butts einzuführen. Er lachte ein wenig. »Aber, Mrs. Grizzell - in diesem Falle hat sie ihn wirklich erschossen.«
Ma Gris schlug beim Nach-vorne-Schaukeln mit den Händen auf die Stuhllehnen und antwortete heftig: »Er hat sie dazu getrieben! Dieser Mann hat diese arme Frau -« »Hey! Jetzt hör aber mal auf, Ma.« Butts fingerte nervös eine Zigarette aus der Packung, die in der Tasche seines fadgrünen T-Shirts klemmte. »Jetzt hör aber mal auf.« Er zündete sich die Zigarette an und schmiß wütend die Streichhölzer in den vollen Aschenbecher. »Ich sag nur eins, hör auf.« Er rauchte in hastigen, kurzen Zügen und schaute weiter auf die blaugrünen Bilder der stummen Seifenoper.
Einen Augenblick später sagte Sam: »Nun ja, Krystle stand wirklich unter großem Druck.«
Die knubbeligen Hände klatschten auf die Armlehnen. Es mußte weh getan haben, aber Sam hatte ihr die Gelegenheit verschafft. »Weiß Gott, die arme Frau war -«
Butts tat immer noch, als interessiere er sich für die Gesichter, die wie gezacktes Wasser vorbeitrieben, doch jetzt schoß ihm das Blut ins Gesicht, und er sagte: »Du sprichst doch gar nicht von Krystle, nicht wahr? Sondern von Loreen. Du bist der Meinung, ich hab Loreen dazu getrieben, sich anderswo Unterhaltung zu suchen.«
Seine prüde Ausdrucksweise verblüffte Sam.
Mrs. Grizzell sagte: »Aber, nein - das -«
»Sag nicht nein. Du warst kurz davor, es endlich mal direkt auszusprechen.« Wütend drückte er die Zigarette aus.
Aber ebenso überraschend war für Sam die gleichmütige Antwort der Schwiegermutter. »Durch deinen Job warst du nun mal viel weg, Carl. Und Loreen hat sich ganz allein um den Jungen kümmern müssen.«
»Ist das meine Schuld?« Er stieß sich mit dem Daumen in die Brust. »Und sie hat sich ja sowieso nicht groß um Raymond gekümmert.«
»Raymond ist mein Enkel. Seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, auch wenn ich das selber sage.« Sie glättete ihren Rock und fuhr fort: »Hab nie gesagt, daß es deine Schuld ist. Ein Mann hat seine Arbeit, die muß er tun. Aber schauen Sie doch mal, was die Zeitungen draus gemacht haben, meine Loreen soll eine... Sie wissen schon. Aber Loreen war nie so eine, die mit anderen Männern rumgemacht hat - nicht wie diese Perry. Wußte doch jeder, daß die eine ganz gewöhnliche Nutte war. Haut ab und läßt ihre Kinder allein, ohne daß sich jemand um sie kümmert -«
Butts ließ seine Fingerknöchel knacken und den Bizeps unter dem dünnen Stoff spielen. »Mit Boy Chalmers hat sie sich aber eingelassen, oder?«
»Sie hat sich überhaupt nicht eingelassen; du weißt, daß sie und
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