Was am See geschah
Wahrscheinlich hatte er es satt, immer nur schlechte Nachrichten zu übermitteln. »Sportwagen. Vermutlich ein Porsche.« Er steckte sich die Hände in die Achselhöhlen, sah sich das schwarze Ding noch einmal genauer an und fügte hinzu: »Is mal rot gewesen.«
5
C had stürzte in Richtung Feuer, doch der Arm, der herausschoß und ihn zurückhielt, war wie ein Schraubstock. »Mein Gott, Junge, da ist doch nix mehr zu machen, es sei denn, du kannst durchs Feuer gehen.« Dann riß der Polizist plötzlich den Kopf herum und sagte: »Kümmer dich um deine kleine Schwester.«
Casey stand ein paar Schritte hinter ihm, und die Tränen strömten ihr über die Wangen. »Es ist Mammi, nicht wahr?« Ihre Stimme klang gepreßt; sie schluckte.
Chad legte wieder den Arm um sie. Durch den dicken Bademantel fühlte sie sich klein und knochig an.
»Es ist nicht deine Mama.«
Nach ein paar weiteren Minuten waren die Flammen fast erloschen. Alle - Polizisten, Sanitäter, Schaulustige - standen wie versteinert da und sahen zu, wie sich der Umriß des ausgebrannten Autos in Rauch und Asche verwandelte, die in die Flöhe stiegen, als das Feuer langsam erlosch. Immer noch hielten Autos an, und die Fahrer und Mitfahrenden stiegen aus. Eine Gestalt ging langsam durch die schimmernde Hitze auf das Wrack zu.
Es war eine Frau. Es war Eva.
Sie blieb gut zehn Schritte davor stehen und sah über Caseys Kopf hinweg Chad in die Augen - ihre eigenen Augen waren von Grauen erfüllt und wirkten im Spiel der letzten züngelnden Flammen dunkel, hohl, ausgebrannt. Chad legte die Wange an Caseys weiches Haar, löste ihre Arme von seiner Taille und drehte sie um. Casey brüllte und rannte auf sie zu.
Es war, als seien die Positionen nun einfach vertauscht, dachte er, und fand es fast unmöglich, daß er die Augen nicht niederschlug.
Seine Gedanken verwirrten sich, sein Blick wanderte über die Menge, über die Trümmer, die wäßrigen Spuren der Schläuche, die pulsierenden Lichter der Streifenwagen, schwarze Wagen glänzend wie Lack, und Scheinwerfer, die ihr Licht über die Straße ergossen. Er hatte sich getäuscht; er hatte sich völlig getäuscht.
Er schaute zurück auf die Frau in dem alten Mantel, die offensichtlich allein hierhergekommen war, in deren silberfarbenes Haar plötzlich ein Windstoß fuhr und deren weißer Schal sich löste und davonflatterte.
Er wußte nicht, wie lange sie noch dort standen und zusahen, wie das Feuer in dem ausgelaufenen Öl erstarb, das einen gezackten Kreis um das verkohlte Auto bildete, wo die Feuerwehrleute in ihrem schweren Ölzeug, unbeirrbar mit ihren Schläuchen schwenkend, hin und her gingen.
Unter Hüten, die ihnen zu groß zu sein schienen, warfen die letzten Flammen Reflexe auf ihre Gesichter, zarte Gewebe aus Licht und Dunkel, und Chad dachte an Schattenland.
VIERTER TEIL
Ramon Fernandez
1
E ine Fremde, eine vollkommen Fremde, dachte sich Sam und blickte auf den Körper von Elizabeth Hooper, der auf der blutverkrusteten Erde lag. Oder das, was von ihm übrig war. Nicht nur die Kehle war auf geschlitzt; ihr ganzer Leib war verwüstet, die Spur des Messers zog sich vom Hals bis zur Scham. Sie lag da, in den Fetzen, die von ihrem Unterrock, dem Büstenhalter und der Unterhose übriggeblieben waren. Ihr weißer Mantel war achtlos beiseite geworfen. Das Kleid war spurlos verschwunden.
Sams ganze Mannschaft und die Hälfte der Truppe von Elton County waren da, obwohl es sich um Sams Zuständigkeitsgebiet handelte. Er hatte Sedgewick angerufen und ihn um Verstärkung gebeten, und er solle doch auch die Beamten von der Spurensicherung mitbringen; die örtliche Polizei verfügte weder über die Ausrüstung noch die Erfahrung der Kreispolizei. In Wirklichkeit wollte er dem Sheriff nur schmeicheln, damit der herüberkam und mit eigenen Augen sah, wie Elizabeth Hooper ausschaute.
Sedgewick stand fett und stirnrunzelnd da, wärmte sich die Hände unter den Achseln und schüttelte den Kopf. »Das hier wird alle Frauen in Panik versetzen. Unmöglich, das geheimzuhalten, wo sie ’ne Auswärtige ist. Und die Reporter haben wir ab heute bis in alle Ewigkeit am Hals.«
»Ist das nun eine vordringliche Angelegenheit oder nicht? Glauben Sie nun langsam, daß die Frauen hier in der Gegend ihre Türen absperren und keine Mitternachtsspaziergänge mehr machen sollten?«
Sedgewick zerrte sich die Hose hoch, um sich für den Streit zu wappnen, aber er kriegte den Gürtel nicht über die
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