Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
Gestalten der Männer, die an einer Art Tragriemen für den Transport des Pferdes arbeiteten.
Aus Gründen, die etwas mit der Aufnahmetechnik zu tun hatten, waren die Stimmen klar zu verstehen, selbst das schwere, müde Atmen des Pferdes war zu hören. Dann und wann stieß es eines seiner speziellen Pferdeworte aus, die sein ganzer Wortschatz zu sein schienen. Es schien die Männer zu beobachten und felsenfest von ihrer Freundlichkeit überzeugt zu sein. Seine großen, sanften, gelben Augen rollten wild im Licht der Scheinwerfer, und jedes Mal, wenn das Pferd nach unten blickte, schien es zu schaudern.
Casher O’Neill fand das durchaus verständlich. Der Grund des Hippy Dipsy war nicht zu erkennen; dem Pferd war es gelungen, nur mit den großen Nägeln seiner Mittelfinger vier von den sechs Kilometern der Klippenhöhe zu überwinden.
Die Stimme eines Tigermannes übertönte die Laute der Menschen, Untermenschen und Roboter, die sich auf dem Grat der Klippe abmühten. »Es ist ein Wagnis, aber kein großes Wagnis. Ich wiege sechshundert Kilogramm und bin davon überzeugt, dass ich seit meiner Jugendzeit nie wieder alle meine Kräfte eingesetzt habe. Ich weiß , dass ich über das Feuer springen kann, um diesem Ding zu helfen. Ich kann ihm auch ein Seil umlegen, damit es nicht ausrutscht und hinunterstürzt nach all der Mühe, die wir uns gemacht haben. Und nicht zu vergessen seine Mühe … Vielleicht kann ich es in meine Arme nehmen und zurückspringen. Es besteht kein Risiko, wenn jeder von uns von einem festen Seil gesichert wird. Jedenfalls, ich habe niemals in meinem Leben eine Kreatur gesehen, die weniger zum Klettern geeignet war als dieses Pferd. Man kann seine Finger nicht ›Finger‹ nennen. Sie wirken wie kleine Knochenschachteln, auf denen man herumlaufen kann und die sonst zu nichts nutze sind.«
Das Gemurmel anderer Stimmen ertönte, gefolgt von dem Befehl des Einsatzleiters: »Dann spring.«
Niemand war darauf vorbereitet, was als Nächstes geschah.
Der Kameramann filmte den Tigermenschen in Großaufnahme, zeigte, wie ein Seil um seine breite Brust geschlungen wurde. Der Tigermann war ein modifizierter Typ, bei dem die Verantwortlichen keine Mühe darauf verwandt hatten, ihm ein menschliches Aussehen zu geben. Er besaß noch immer die Ohren oben auf dem Schädel und gelbes und schwarzes Fell im Gesicht; enorme Reißzähne reichten bis weit über seine unteren Fänge, und die riesigen antennenähnlichen Haare eines Katzenschnurrbartes zitterten, wenn er sprach. Innerlich musste er allerdings vollständig modifiziert sein, denn sein Charakter war ruhig, freundlich und sogar ein wenig humorvoll; sein Maul hatte man sorgfältig verändert, denn die Laute der menschlichen Sprache klangen klar und verständlich.
Er sprang – ein herrlicher Sprung, geradezu über das Feuer hinweg.
Das Pferd sah ihn.
Das Pferd sprang ebenfalls, sprang fast im selben Augenblick über die Flammenzungen zur anderen Seite.
Das Pferd hatte den Tigermann mehr gefürchtet als die Klippe.
Das Pferd landete inmitten der Arbeitergruppe. Es versuchte, sie nicht mit seinen zuckenden Gliedmaßen zu verletzen, aber es traf einen Mann – einen Wahren Menschen – und warf ihn von der Klippe. Der Schrei des Mannes verhallte, während er hinunter in die undurchdringliche Dunkelheit stürzte.
Die Roboter waren schnell. Da sie bis auf An , Aus und Hoch keine »Gefühle« besaßen, waren sie auch nicht überrascht. Sie legten dem Pferd ein Seil um, und bevor die Wahren Menschen und Untermenschen sich wieder gesammelt hatten, hatten sie dem Kranführer oben auf der Klippe bereits ein Zeichen gegeben. Das Pferd schwebte jetzt in die Höhe, seine vier Arme pendelten hilflos hin und her.
Der Tigermann kehrte mit einem Sprung durch die Flammen zum nahen Grat zurück. Das Bild erlosch.
Im Filmraum erhob sich der Erbdiktator. Er reckte sich und blickte sich um.
Geneviève sah Casher erwartungsvoll an.
»Das ist die Geschichte«, erklärte der Diktator milde. »Nun müssen Sie das Rätsel lösen.«
»Wo ist das Pferd jetzt?«, fragte Casher.
»Im Krankenhaus natürlich. Meine Nichte kann Sie zu ihm führen.«
III
Nach einer kurzen, schmerzhaften und vollständigen Durchleuchtung seines Bewusstseins durch den Erbdiktator brachen Casher O’Neill und Geneviève zu dem Krankenhaus auf, in das das Pferd eingeliefert worden war. Da die Leute von Pontoppidan nicht gewusst hatten, was sie unternehmen sollten, hatten sie es unter
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