Was bisher geschah
nur ihre Schäflein auf die Schlachtfelder. Ein kleiner Lichtblick ist in dieser Zeit der religiösen und politischen Extreme der 1220 zum Kaiser gekrönte Friedrich II. In seinem Musterstaat Sizilien testet er nicht nur den Einsatz von Beamten statt Feudalherren. Er korrespondiert auch mit arabischen Gelehrten, handelt mit den Muslimen einen friedlichen Zugang zur Pilgerstätte Jerusalem aus – und wird vonseiten der Kirche als zum Islam Konvertierter und Antichrist verdächtigt. Kein Wunder, denn um Abtrünnige in den eigenen Reihen auszumerzen, ordnet Papst Innozenz III. zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine Art inneren Kreuzzug an: So werden in Südfrankreich Mitglieder der alternativen religiösen Bewegungen der Albigenser beziehungsweise Katharer als »Ketzer« niedergemetzelt. Nach Innozenz’ Tod forciert Gregor IX. um 1230 die Sache. Er beauftragt die Bettelorden, Franziskaner und Dominikaner mit der Inquisition. Bis ins 18. Jahrhundert werden vermeintliche Ketzer und Hexen gefoltert und ermordet.
Gerade weil die Bettelorden, die sich im 13. Jahrhundert in ganz Europa ausbreiten, zunächst harmlos wirken, sind sie ein herausragendes Beispiel für die mitunter makabren Widersprüche des Mittelalters. Als schräge Mischung aus netten Hippies und Volksverhetzern sind die Bettelmönche zugleich ein historisch frühes Beispiel für den Typ des Rebellen, der sich, nachdem er in seinen jungen Jahren mit Aufruhr Furore macht, vom Außenseiter zur innovativen gesellschaftlichen Macht mausert: Zunächst erscheint die Sache der Dominikaner, Franziskaner, Karmeliter und Augustiner als ein innerkirchliches Aufbegehren gegen die Verweltlichung und Dekadenz des Katholizismus. Nicht nur leben die Mönche – wie Jahrhunderte zuvor ihre buddhistischen Bettelbrüder in Asien – demonstrativ in Armut. Sie begeben sich auch unters Volk, betreiben Seelsorge, leisten medizinische Hilfe und predigen auf der Straße. Zwar sichert der Kaiser der Universität von Bologna, einer der ältesten Europas, Mitte des 12. Jahrhunderts mit einem Privileg eine gewisse Unabhängigkeit der Forschung und Lehre zu, doch prägen die Bettelmönche bald auch den akademischen Betrieb.
Einerseits zieht sich Franz von Assisi (um 1181 – 1226) manchen Überlieferungen zufolge nackt aus, um sich demonstrativ vom Reichtum seiner Eltern loszusagen; er nennt sich Spielmann Gottes, um sich in die Nähe der populären Spielleute zu stellen, die auf Marktplätzen, Kneipen und bei Hofe Balladen vortragen. Andererseits finden sich in den Bettelorden Scholastiker und Kirchenlehrer wie Thomas von Aquin (um 1225 – 1274), die damals abgehoben wissenschaftliche, aus heutiger Sicht offenkundig absurde Gottesbeweise und -strafen ausklügeln. Dem Papst kommen die Rebellen, die oft aus privilegierten Familien stammen, zur Stützung und Belebung der Kirchenmacht gelegen (lat. rebellis = »den Krieg erneuernd«). Sie erledigen die Drecksarbeit der Inquisition und verpassen der Kirche zugleich ein Image von Volksnähe. Deshalb baut der Papst die Orden nach ersten Zweifeln und Strafaktionen gegen die Abtrünnigen doch in seine Mannschaft ein. Umgekehrt haben sie schon im Spätmittelalter vielerorts den Ruf von Scharlatanen und scheinheiligen Schmarotzern.
Am merkwürdigsten an den Bettelmönchen mit ihrer urchristlichen Armutsideologie ist wohl, dass ausgerechnet sie an der Entwicklung des Bankenwesens beteiligt sind. Es ist eine der großen Erfindungen des Mittelalters. 1472 wird das erste Bankhaus der Welt gegründet, das heute noch existiert: die Monte dei Paschi in Siena. Die Bank entwickelt sich aus dem Monte di Pietà. Das heißt wörtlich übersetzt »Berg der Barmherzigkeit«, wird aber im Italienischen zum feststehenden Begriff für Pfandhaus. In Zeiten des Kreditverbotes unter Christen überreden Bettelmönche – auch um jüdische Leihgeber zu verdrängen – Wohlhabende dazu, im Sinne Christi, der sich auf dem Kalvarienberg für die Menschheit opferte, etwas von ihrem Vermögen abzugeben, um nun einen Geldberg der Barmherzigkeit aufzuschichten. Von ihm sollen Arme gegen ein Pfand schöpfen, für das sie zwei Drittel des Wertes als Geld erhalten. Dazu kommen zinslose Darlehen oder niedrig verzinste Kleinstkredite. Da man dabei als Organisator bequem mitverdienen kann, verlockt die Sache zum Missbrauch.
Händler statt Helden – die neue Macht des Bürgertums
Neben der integrativen Revolte der Bettelmönche ist eine zweite Rebellion zu nennen, die
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