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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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Anhalt-Zerbst aus Stettin wird sie mit Zar Peter III. verheiratet. Der Nachfolger von Elisabeth, Tochter von Peter dem Großen, stellt mit Spielzeugsoldaten große Schlachten nach, verhält sich politisch aber wenig strategisch. Sophie billigt Peters Ermordung, um 1762 als Katharina an die Macht zu kommen. Sie nimmt Reformen im Verwaltungs-, Rechts- und Ausbildungswesen in Angriff, die Leibeigenschaft wird aber erst ein Jahrhundert später von Zar Alexander II. abgeschafft.
    Berühmt ist Katharina für ihren Austausch mit Voltaire und Diderot, berüchtigt für ihre vielen Liebhaber und Günstlinge. In Europa kursieren Karikaturen, auf denen ein ganzes Regiment der Zarin an den Rock will. Nachdem sie an den Folgen eines Schlaganfalls stirbt, geht das Gerücht um, es habe sie beim Sex mit einem Hengst erwischt. Zu ihren Schützlingen zählen der von ihr gepuschte polnische König Stanislaus II. und Graf Potemkin. Als Organisator der Kolonisierungspolitik im Süden des Reiches lässt Potemkin Dörfer herausputzen, damit Katharina im Rahmen einer PR-Reise mit europäischen Machthabern und Diplomaten die Fortschritte, die man in der Gegend gemacht hat, vorführen kann. Ein missgünstiger Abgesandter nennt die Dörfer wohl Attrappen und prägt damit den Begriff Potemkinsche Dörfer für etwas nur scheinbar Großartiges.
    Katharina präsentiert sich zwar auch im gesamteuropäischen Vergleich progressiv, etwa indem sie sich demonstrativ gegen die Pocken impfen lässt. Doch bleibt ihre Politik in vieler Hinsicht rückständig. Als der Schriftsteller Alexander Radischtschew 1790, ein Jahr nach der Französischen Revolution, in seinem Buch Reise von Petersburg nach Moskau die schlimmen Zustände im Land geißelt, lässt sie ihn zum Tode verurteilen (später begnadigt sie ihn und schickt ihn in die Verbannung). Revolutionäre Bewegungen oder auch nur eine intellektuelle Szene werden sich in Russland, wo noch um 1900 die Hälfte der Einwohner Analphabeten sind, erst im 19. Jahrhundert entwickeln – mit Denkern wie Dostojewski, Tolstoi und Kropotkin. In Westeuropa ist man etwas früher dran.

Vom Hofnarren zum kritischen Publizisten: die Geistesheroen
     
    Über die Tugend des Helden heißt ein kleiner Text von Jean-Jacques Rousseau, in dem der Literat, Philosoph und Pädagoge 1751 einen zentralen Gedanken seiner Zeit formuliert: Es brauche, so Rousseau, endlich Heroen, die mitdenken und dem Gemeinwohl dienen, statt egozentrisch als Krieger aufzutrumpfen. So bildet sich im 18. Jahrhundert über Salons und die Presse eine kritische Öffentlichkeit aus und damit die Bühne für die neuen Denkerhelden. Sie verkörpern später im Sinn der Gewaltenteilung als Publizisten und Journalisten die sogenannte vierte Gewalt neben der Legislative, Exekutive und Judikative. Die neuen Helden sind insofern ambivalent, als sie einiges bewegen, aber zugleich wie Hofnarren für eine Scheinrevolte und Ersatzbefriedigung stehen können. In dieser Mischung sind sie prägend für ein späteres öffentliches Engagement von Intellektuellen.
    Ein europaweit berühmter Denkerheld des 18. Jahrhunderts ist François Arouet, der schon insofern beispielhaft für die Zeit der Wirren und des Übergangs ist, als er sich mit dem Künstlernamen »de Voltaire« frech selbst adelt (1694 bis 1778). Voltaire verfasst satirische und schlüpfrige Dramen, Romane, Erzählungen, Essays und Pamphlete. Als er in einem Schmähgedicht gegen Philipp von Orléans wettert, der anstelle des minderjährigen Ludwig XV. regiert, landet der Sohn eines großbürgerlichen Anwalts in der Bastille. Dort genießt er allerdings eine Vorzugsbehandlung, die Diners am Tisch des Gefängnisdirektors mit einschließt.
    In Zeiten, in denen sich Herrscher langweilen, ihrer Rolle überdrüssig sind, sie teils lächerlich finden, ohne aber aussteigen zu können oder zu wollen, hilft Ironie; sexuelle Anzüglichkeiten dienen der Ablenkung. Die liefert Voltaire in Stücken wie La Pucelle d’Orléans , in dem er die Nationallegende von der Jungfrau von Orléans veralbert, indem er unter anderem ihr inniges Verhältnis zu einem verführerischen Esel schildert. Giacomo Casanova bietet mit seinen saftigen Lebenserinnerungen einen Einblick in das freizügige Leben bestimmter gesellschaftlicher Kreise. Die düstere Seite davon verkörpert der Schriftsteller Marquis de Sade (1740 bis 1814), Namensgeber des Sadismus. Sein Werk Justine oder Vom Mißgeschick der Tugend enthält extrem brutale Schilderungen von

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