Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
schlechthin (griech.: »ho théos«) macht, den Jesus selber seinen und unseren Vater genannt hat. Das Neue Testament selber redet von einer ermächtigenden »Einsetzung« und »Inthronisierung« Jesu – aufgrund seiner Auferweckung durch Gott selbst – als »Messias« (gesalbter König) »in Macht« (Röm 1,3 – 4; Apg 2,36). Dies kann auch ein Muslim mitvollziehen.
Mit dem scharfen Koranwort »Ungläubig sind diejenigen, die sagen: ›Gott ist Christus, der Sohn der Maria‹« (Sure 5,27) ist der Prophet Muhammad zu einem »Warner« für die hellenistisch gebildete Christenheit geworden, in welcher das Christusverständnis der alten Judenchristen angesichts der hellenistischen Neuinterpretationen kaum noch Chancen hatte. Kein Judenchrist hätte wohl etwas gegen die Vorstellung gehabt, daß Jesus der Sohn Gottes im Sinne der Repräsentanz Gottes ist: »Es sprach der Herr zu meinem Herrn, setze Dich zu meiner Rechten« (Ps 110,1; Apg 2,33 – 35). In christlicher Interpretation wird daraus eine der wichtigsten christologischen Aussagen: Jesus ist Gottes Stellvertreter, und der Stellvertreter kann, in der Tradition Israels richtig verstanden, auch Sohn genannt werden: »Mein Sohn bist Du. Heute habe ich Dich gezeugt« (Ps 2,7; Apg 13,33). Das ist so zu verstehen, wie es in der Bibel – für den Tag der Inthronisation des Königs – heißt: Gott habe den König von Israel »gezeugt«.
So könnte man das islamische Modell auch als ein Korrektiv des Paradigmas der hellenistischen Christus-Dogmatisierung verstehen. Der Koran weist faktisch auf das ursprüngliche judenchristliche Modell zurück, wie ich dies zuletzt in meinem Buch »Der Islam« (2004) darlegte. Aufgabe kirchlicher Verkündigung wäre es, zentrale Begriffe christlichen Glaubens, die mit spätantikem griechischem und dann lateinischem Vokabular ausgedrückt wurden, in die heutige Denk- und Sprachwelt zu übersetzen.
»Was ich glaube« (2009), S. 202 – 230.
Die Religionen – mögliches Fundament des Ethos
Eine der Grundfragen von »Projekt Weltethos« ist die Frage der Letztbegründung des Ethos, der Begründung der Unbedingtheit ethischen Sollens. Hans Küng plädiert für ein Miteinander von Philosophie und Religion, betont die Möglichkeiten rationaler philosophischer Konzepte, sieht aber auch deren Grenzen und das »Mehr« von Religion.
Woher die Verbindlichkeit?
Es ist hocherfreulich, daß besonders seit den 80er Jahren auch die deutsche Philosophie , ob sie nun mehr von der analytischen Sprachphilosophie (Karl-Otto Apel) oder von der Frankfurter Kritischen Theorie (Jürgen Habermas) oder von der Geschichtstheorie (Rüdiger Bubner) herkommt, sich wieder mehr um die Praxis und damit um die rationale Begründung einer verbindlichen Ethik kümmert. Freilich tut sich Philosophie ganz allgemein schwer mit der Begründung einer für größere Bevölkerungsschichten praktikablen und vor allem einer unbedingt und allgemein verbindlichen Ethik. Nicht wenige Philosophen (von Alastair MacIntyre und Richard Rorty bis zu Michel Foucault und Rüdiger Bubner) verzichten deshalb lieber auf universale Normen und ziehen sich auf die Üblichkeiten der verschiedenen Lebenswelten und Lebensformen zurück. Aber ob alle nur regionalen Rationalitäten und Plausibilitäten, Vorschriften und Gesetze nicht zu kurz greifen und Fixierungen auf regionale oder nationale Belange um des großen Ganzen willen nicht immer wieder aufgebrochen werden müssen?
Doch gerade für eine »Diskursethik« (Apel, Habermas), die mit Recht die Bedeutung des rationalen Diskurses und Konsenses betont, stellt sich das Problem: Warum Diskurs und Konsens bevorzugen und nicht die gewaltsame Auseinandersetzung? Und impliziert der Diskurs wirklich Moral und nicht nur Taktik? Soll die Vernunft nicht die Unbedingtheit und Universalität ihrer Normen begründen? Wie aber kann sie das, nachdem sie nicht mehr auf einen quasi angeborenen »kategorischen Imperativ« (Kant) zurückgreifen kann? Bisher, so scheint es, sind philosophische Begründungen unbedingt verbindlicher und allgemeingültiger Normen kaum über problematische Verallgemeinerungen und transzendental-pragmatische oder utilitaristisch-pragmatische Modelle hinausgekommen. Sie berufen sich zwar (mangels einer übergreifenden Autorität) auf eine ideale Kommunikationsgemeinschaft, bleiben jedoch nicht nur für den Durchschnittsmenschen in der Regel abstrakt und unverbindlich. Trotz behaupteter transzendentaler
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