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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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Werkstatt neben seiner Scheune die nötigen Veränderungen vorgenommen. Er hatte einen sich drehenden Aluminiumknauf ans Lenkrad geschweißt, damit ich mit einer Hand lenken konnte, und das Zündschloss und die Stereoanlage an die linke Seite des Lenkrads versetzt. Entsprechende Verlängerungen machten die Bedienung des Schalthebels, der Scheibenwischer und der Heizung mit meinem Armstumpf möglich. Ich weigerte mich, eine Prothese zu tragen, doch ich schämte mich nicht, mit einer zu fahren. Der Tag, an dem sie mich damit überrascht hatten, gehörte nicht nur zu den glücklichsten meines, sondern auch ihres Lebens. Mir bot der Wagen die lang erträumte Unabhängigkeit und ihnen einen Ablass für die Sünde meiner Verstümmelung in einem so jungen Alter.
    Ich holte tief Luft und legte den Gang ein. Der Wagen beschleunigte sanft. Mir gefiel die Fahrt durch den Wechsel der Jahreszeiten, durch strömenden Regen und über Schneematsch, Schnee und die trockene Straße. Die Fahrt vom nördlichen Wilmington zu unserem Haus in Huntingdon dauerte etwa drei Stunden. Ich versuchte, mich an die Fahrt von Huntingdon nach Delaware am Abend zuvor zu erinnern – was ich gesehen, gedacht und im Radio gehört hatte. Ich erinnerte mich an rein gar nichts. Das machte mir Sorgen, weil ich immer ein hervorragendes Gedächtnis gehabt hatte. Ich erinnerte mich an die ersten Kapitel der Romane, die ich in meiner Jugend gelesen hatte, und an die Entscheidungen des Obersten Gerichts, über die ich während meiner Studienzeit gelesen hatte. Ich erinnerte mich an die Texte der Titellieder alter Fernsehserien und an die Geburtstage der Familienangehörigen dritten Grades meines Mannes. Doch ich erinnerte mich an nichts, nachdem ich Sarah gestern von der Tagesstätte abgeholt und auf dem Nachhauseweg im Supermarkt angehalten hatte.
    Bei meiner Abfahrt hatte die Tankuhr einen vollen Tank angezeigt. Das tat sie während der gesamten Fahrt. Was seltsam war, aber auch nicht mehr als alles andere, was seit gestern passiert war. Ansonsten brachte ich die Fahrt ohne Probleme hinter mich. Es herrschte der übliche Verkehr auf dem Highway, und die Autos und Lastwagen taten das, was sie normalerweise immer tun. Die Landschaft, der Himmel, die Straßenschilder, die Gebäude und die Reklametafeln sahen aus wie immer, außer dass alles in eine bunte Vielfalt aus Frühling, Sommer, Herbst und Winter gehüllt war. Die Berge wanden sich entlang des Juniata Rivers wie riesige, gestreifte Raupen, das Laub der Wälder erstrahlte in allen Schattierungen von Rot, Orange und Gelb, die Äste waren kahl und mit weißem Schnee überzogen, hellgrün gesprenkelt mit den ersten Knospen, erstrahlten tiefgrün in voller Pracht. Es war grandios. Und noch ein unerwarteter Umstand versüßte meine Fahrt: Die Radiosender spielten genau die Musik, die ich hören wollte, ohne dass sie von einem Sprecher oder von Werbung unterbrochen wurde.
    Mit jedem Kilometer schien sich meine Lage zu verbessern, und ich glaubte, mein Elend würde bald ein Ende haben. Doch als ich auf der Route 522 Richtung Huntingdon abbog, wurde mein Optimismus von schierer Angst verdrängt. Ich machte mir Sorgen über die Art meiner Krankheit und was sie bedeuten könnte. Vielleicht hatte ich einen Gehirntumor? Oder vielleicht war die Halluzination, tot zu sein, eine Vorahnung auf den wahren Tod? Schon meine Ururgroßmutter hatte behauptet – und von da ab hatten dies auch alle anderen Bellini-Frauen getan –, mitten in der Nacht von Engeln heimgesucht worden zu sein, die sie auf den Tod eines nahestehenden Menschen vorbereitet hatten. War Nana Bellini dieser Engel, der mich auf meinen eigenen Tod vorbereitete?
    Plötzlich wurde die Möglichkeit einer tödlichen Krankheit unerträglicher als die Möglichkeit, bereits tot zu sein. Ich stellte mir vor, wie ich die Nachricht von einem Arzt erfahren und zusammenbrechen, dann Bo davon erzählen und Sarah in dem Wissen an mich drücken würde, sie nicht aufwachsen zu sehen. Wer würde ihr die Haare flechten, ihr die Kostüme zu Halloween nähen, ihr beibringen, wie man Kekse backt? Wer würde ihr die Bücher von Louisa May Alcott und Harper Lee nahebringen, mit ihr zelten oder zum Ballett gehen? Oder sie während ihrer Pubertät und Jugend trösten? Wer außer ihrer Mutter könnte sie überzeugen, dass es nichts in ihrem Leben als Mädchen oder Frau gab, das sie nicht schaffen konnte? Als ich in unsere Straße abbog, war ich einem hysterischen Anfall nahe.
    Bos

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