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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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und leicht waren. Auf den Thronen saßen identische Kugeln wie Sonnen, die in alle Richtungen strahlten. Am Fuß der Throne stand eine in einen Umhang gehüllte Seele, die die Schriftrollen der Reihe nach entgegennahm und laut daraus vorzulesen schien, während sie das Pergament entrollte. Am Ende warf die Seele die Schriftrolle auf den Haufen, die dazugehörige Person löste sich auf und wurde von der nächsten in der Reihe ersetzt, für die der gleiche Prozess begann. Luas schwieg, um die düstere Prozession zu betrachten.
    »Dir wurden das Privileg und die Verantwortung übertragen, die Aufnahme für andere abzuspielen«, erklärte er.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Das ist das, was wir hier tun, Brek«, fuhr Luas fort. »Wir wurden nach Schemaja gebracht, um die Aufzeichnungen des Lebens zu lesen und zu zergliedern und dem Schöpfer gegenüber die Unvollkommenheit der Geschöpfe zu erläutern, so wie Ölfarbe und Leinwand dem Künstler Web- und Farbfehler oder wie Saite und Bogen dem Komponisten die Unvollkommenheit von Klang und Tonhöhe erklären würden, wenn sie könnten. Wir wurden dazu auserkoren, die andere Seite der Geschichte zu erzählen, Brek – ihre Ängste und ihr Bedauern, ihre Mitschuld und ihren Betrug, ihre Gier und ihre Opferung zu erklären. Wir sind hier, um sicherzustellen, dass beim Jüngsten Gericht für Gerechtigkeit gesorgt wird.«
    Luas’ Worte hätten in mir eigentlich Gottesfurcht wecken sollen, doch zu diesem Zeitpunkt hatte ich, wie bereits gesagt, meinen Tod noch nicht akzeptiert. Im Gegenteil, ich wartete ab und suchte nach einer Öffnung, um wieder in das Leben, das ich geführt hatte, treten zu können. Doch was Luas sagte, war so ungeheuerlich, dass ich nicht mehr an Fieber und Krankheit glaubte, sondern auch die Möglichkeit in Betracht zog, nach einem schrecklichen Unfall einen Hirnschaden erlitten zu haben.
    Vielleicht hatte ich einen Autounfall, oder ich stürzte während des Ausflugs auf den Tussey Mountain eine Klippe hinunter. Oder fühlt sich so ein Koma an? Vielleicht ist Nana, die mich angekleidet hatte, bevor ich zum Bahnhof ging, meine Krankenschwester, die mich für eine Untersuchung vorbereitete, und Luas ist mein Neurochirurg. Vielleicht ist die Augenbinde eine Sauerstoffmaske, die mich am Leben erhält.
    Ich klammerte mich an diese Hoffnung, während Luas Dinge erklärte, schreckliche Dinge, die ich weder verstehen noch akzeptieren konnte – Dinge, die nicht so sein konnten, sofern ich nicht tatsächlich tot war.
    »Gut«, stimmte ich zu. Ich wollte mitspielen aus Angst, er könnte, wenn er merkte, dass ich ihn durchschaute, während der Operation einen Fehler begehen und mich dabei töten oder ins Koma befördern. »Dann bist du also mein Anwalt und versuchst, mich vor der Hölle zu retten, weil ich meinen Arm in den Miststreuer gesteckt habe. Kannst du für mich nicht irgendwas aushandeln? Dass mir meine schon erhaltene Strafe angerechnet wird?«
    Luas lachte. »Wohl kaum. Warum hat Gott versprochen, keine Sintflut mehr auf die Erde zu schicken?«
    Ich zog verwirrt die Augenbrauen nach oben.
    »Ach, komm schon«, drängte er und zog eine Pfeife und einen Tabakbeutel aus seiner Jackentasche. Während er weitersprach, stopfte er die Pfeife. »Natürlich kennst du die Geschichte. Nach dem Fiasko in Eden wurde die Lage nur noch schlimmer. Kain ermordete Abel, und später ermordete eins seiner Kinder ein anderes kleines Kind. Die Menschen paarten sich mit Bestien und gaben sich allen möglichen Ausschweifungen hin. Gott war wütend – und das zu Recht. Er beschloss, uns alle zu zerstören, wie es die Gerechtigkeit verlangt, doch als sich die Flut zurückzog, bekam er Gewissensbisse. Stell dir das mal vor, Brek: Gott bedauert, was er getan hat. Bemerkenswert, nicht wahr? Er gibt uns ein Versprechen. ›Ich werde es nie wieder tun‹, sagt er und lässt als Erinnerung einen Regenbogen am Himmel erscheinen. Zuerst beschließt er die Vernichtung der menschlichen Rasse als Endlösung – um diesen hässlichen Ausdruck zu verwenden –, doch sobald die Menschheit am Abgrund steht, ist alles vergeben, und unser Überleben ist gesichert, selbst wenn wir weiterhin böse sind. Warum dieser Sinneswandel? Und warum hat er Noah verschont?«
    »Ich denke, weil Noah der Einzige war, der gehorcht hatte«, antwortete ich.
    Luas ließ ein Streichholz aufblitzen und zündete seine Pfeife an. »Korrekt. Und wenn Noah nicht gehorcht hätte?«
    »Dann hätte er ihn mitsamt den

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