Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
Vom Netzwerk:
seiner kleinen Baufirma in der Nähe von Kamenz geöffnet hatte, war Jos. A. Rabun & Söhne zu dem mächtigen Unternehmen herangewachsen, das die Kanäle des modernen Dresdner Abwassersystems verlegte, die Straßen der Stadt asphaltierte und ihre Gebäude errichtete. Unser kleiner Familienbetrieb hatte sich zum größten Bauunternehmen Sachsens entwickelt und bescherte uns mehr als genug, um unseren Bedarf zu decken. Daher wurden die Anforderungen der Regierung von der Familie widerspruchslos hingenommen. Wir hatten weit mehr als die meisten – ausreichend Essen, schöne Kleidung, genügend Geld, um Restaurants und die Oper zu besuchen und zu reisen, obwohl Krieg herrschte. Wir lebten bequem auf dem Anwesen meines Großvaters mit dem schlossartigen Haus, den Reitställen und den Gärten, die seine Liebe zu den Alpen widerspiegelten. Andere, weniger vom Glück gesegnete deutsche Bürger hatten ein weit größeres Opfer bringen müssen.
    Nachdem Papa nach Polen abgereist war, traf ich meine beste Freundin, Katharina Schrieberg, an unserem geheimen Ort auf dem Grundstück – einer Senke im Wald, vor Blicken geschützt dank der dichtstehenden Tannen und des Dornengestrüpps. Sie war nervös und blass wie immer, ihre Finger rieben unaufhörlich über das goldene Kreuz, um ihm jeden Segen zu entlocken, der sich darin hätte verbergen können. Das Kreuz hatte ich ihr gegeben, falls Nazis sie im Wald anhalten würden. Sie war sehr besorgt, nachdem ich die letzten drei Male zu unseren Verabredungen nicht erschienen war. Als ich die traurige Nachricht über Helmut erzählte, weinte sie wie um ihren eigenen Bruder, so dass ich sie und nicht sie mich trösten musste. Natürlich hatte sie Helmut gemocht und bedauerte mich. Doch sie weinte auch wegen sich und ihrer Familie – wenn nämlich schon die mächtige Familie Rabun aus Kamenz nicht mehr sicher war, wie sollte dann die schwache Familie Schrieberg aus Dresden noch überleben können? Sie lud mich zu sich nach Hause ein, was ich gerne annahm, um wenigstens einen Moment dem Leichentuch zu entkommen, das sich mit der Fünfzentnerbombe der Alliierten über mein Leben gelegt hatte.
    Das Haus, in dem die Schriebergs wohnten, war eigentlich kein Haus, sondern eine verlassene Jagdhütte, die mein Großvater im großen Wald, der sich von Kamenz bis zur tschechischen Grenze erstreckte, errichtet hatte. Bevor die Schriebergs dorthin gezogen waren, hatten sie in einem hübschen Haus im feinsten Viertel von Dresden gewohnt und mehrere Theater besessen, von denen zwei von Jos. A. Rabun & Söhne gebaut worden waren. Katharina und ich standen uns nahe. Wir hatten seit der Grundschule gemeinsam Tanz- und Geigenunterricht gehabt, und ihre und meine Eltern waren gemeinsam im Vorstand vieler städtischer und gemeinnütziger Organisationen gewesen, bis die Nazis die Juden aus solchen Positionen vertrieben hatten.
    Doch dann buchten die Schriebergs 1942 plötzlich eine Überfahrt nach Dänemark, nachdem sie das damals großzügige, aber dennoch beleidigende Angebot meines Onkels Otto angenommen hatten, ihnen ihre Theater und ihr Haus sowie sämtliches Hab und Gut für insgesamt fünfunddreißigtausend Reichsmark abzukaufen, bevor sich die Regierung alles unter den Nagel reißen konnte. Sie hatten Verwandte in Dänemark, die sie aufnehmen wollten, doch als sich die Nachricht verbreitete, die Nazis würden fliehenden Juden an den Bahnhöfen auflauern, sie in geschlossene Güterwaggons stecken und nach Polen verfrachten, änderten sie ihren Plan und suchten ein Versteck in der Nähe. Katharina nahm Kontakt mit mir auf und erkundigte sich wegen der Jagdhütte.
    In manchen lauen Sommernächten hatten wir beide dort übernachtet und über die Jungs geredet, die wir heiraten würden. Seit Kriegsbeginn war die Hütte von meiner Familie nicht mehr genutzt worden, so dass ich ihrer Familie erlaubte, dort zu bleiben, und ich und Katharina anfingen, uns an unserem geheimen Ort zu treffen. Ich brachte Körbe und manchmal einen kleinen Leiterwagen voll mit Essen und sonstigen Vorräten mit. Sie baten mich inständig, niemandem etwas zu verraten – weder meiner Mutter noch Helmut oder, was wichtiger war, meinem Vater oder Onkel Otto. Niemandem. Ich hielt mich daran.
    Katharinas Vater, Jared Schrieberg, und ihre jüngeren Brüder, Seth und Jakob, waren fleißig und gruben unter der Hütte einen Tunnel, durch den sie bei Gefahr würden fliehen können. Katharina sagte, sie würden ihre Flucht bei jedem Wetter

Weitere Kostenlose Bücher