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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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nichts ein, bis mir ohne besonderen Grund Vom Winde verweht in den Sinn kam. »Tara«, platzte ich heraus.
    »Da war ich noch nie«, sagte Tim. »Wie sieht es denn aus?«
    Plötzlich waren wir da, standen auf dem weinroten Läufer, der sich durch die Eingangshalle des Herrenhauses und die breite Treppe hinaufwand. Kristallleuchter klimperten leise im sanften Luftzug, der die grünen Samtvorhänge des Salons aufbauschte und den süßen Nachmittagsgeruch von Magnolien, Apfelblüten und frischgemähten Wiesen hereinwehte. Die Köpfe nach rechts und links drehend, traten wir hinaus, schritten die sonnenüberflutete Veranda mit den weißgestrichenen Säulen entlang und wieder zurück ins Esszimmer mit dem funkelnden Teeservice und den glitzernden Gläsern.
    Es war egal, dass Tara nur eine Beschreibung in einem Roman oder ein Schauplatz in einem Film war, genauso wie es den Lesern und Zuschauern egal gewesen war. Es war auch egal, dass ich mich nicht an die genauen Einzelheiten aus dem Buch oder dem Film erinnerte. Mein Geist stellte mir alles zur Verfügung, was ich zu sehen, zu fühlen und zu riechen erwartete. Ich war leicht außer Atem, als wir die letzte Treppenstufe erreichten, und spürte tatsächlich einen Schmerz, als ich mit dem Schienbein gegen die Ecke einer Waschkommode stieß. Die Dinge um uns herum waren tatsächlich nicht nur Illusion. Alles war da, nur Rhett und Scarlett fehlten natürlich. Ich hüpfte auf ihrem Bett und kicherte wie ein kleines Mädchen, berauscht von einem wahr gewordenen Traum. Tim hatte weder das Buch gelesen noch den Film gesehen und konnte meine Begeisterung nicht teilen, doch ich zerrte ihn durch alle Räume, als zeigte ich ihm begeistert ein Filmstudio. »Hier hat sie diesen Nordstaaten-Halunken erschossen«, kreischte ich beinahe. »Und hier hat Rhett sie verlassen.«
    Zurück im Salon, betrachteten wir auf dem Kaminsims ein Flaschenschiff. Sobald mein Geist dieses Schiff wiedererkannte, ersetzten meine Gedanken die Plantage mit dem Meer und das Herrenhaus mit dem Rumpf und den Masten einer Karavelle aus dem sechzehnten Jahrhundert auf hoher See. Und plötzlich standen wir auf dem Deck, gekleidet wie zwei absurde Geschäftsleute, die ein Schiff ohne Mannschaft gechartert hatten. Eine riesige Welle ließ das Schiff im Sturm nach Backbord kippen, so dass wir in der salzigen Gischt auf Händen und Knien nach Steuerbord krabbeln mussten.
    »Vielleicht solltest du mich das nächste Mal warnen, bevor du an ein Schiff denkst!«, rief er. Als wir vom Kamm einer Welle in die Tiefe stürzten, schlingerte das Schiff nach Steuerbord. Tim knallte flach aufs Deck, doch ich hatte das Wellental kommen sehen und mich gegen das Schott gestemmt.
    Mühsam rappelte er sich wieder auf. »Denk an eine ruhige See!«, forderte er mich auf.
    Das tat ich, woraufhin sich das Meer sogleich beruhigte, als hätten zwei riesige, aus dem Himmel ragende Hände das Ozeanlaken glattgezogen und die endlose Oberfläche wie zu einer Glasscheibe erstarren lassen. Die Wolken verzogen sich, und die Sonne kam heraus. Tim setzte sich aufs Deck, wo ich mich zu ihm gesellte. In der Ferne sahen wir so etwas wie eine kleine Karibikinsel.
    »Mein Großvater nahm mich immer zum Segeln in die Chesapeake Bay mit, als ich noch ein Kind war«, erklärte ich. »Manchmal schlief ich bei ihm am Ruder ein und träumte, ich wäre einer der ersten Entdeckungsreisenden, der sich auf dem Meer verirrt hatte.«
    Eine tropische Brise ließ das Boot schaukeln und kühlte die von der Sonne erhitzte Luft ab. Die Stille wurde nur von in der Ferne schreienden Möwen und dem leise gegen das Schiff plätschernden Wasser durchbrochen, während wir auf der glatten Oberfläche dahintrieben. Erschöpft streckte ich mich in der Sonne aus, den Kopf gegen einen Lukendeckel gestützt.
    Bald schon schlief ich in diesem Paradies ein. In meinen Träumen kehrte ich in die Chesapeake Bay zurück. Mein Opa Bellini brachte mir auf seinem Boot das Segeln bei. Es war windig und warm, ein perfekter Tag. Der sonnenverbrannte Oberkörper meines Großvaters brachte etwas Farbe zu dem makellos weißen Fiberglas der Lukeneinfassung rund ums Cockpit. Eine ausgeblichene blaue Kapitänsmütze schirmte seine Augen ab, deren Blick er zwischen der Fock und einem Seezeichen an Land hin- und herwandern ließ. Dorthin sollte ich unser Boot steuern, um unseren Kurs voll auszunutzen. Sobald wir außer Sichtweite der Anlegestelle in Havre de Grace gewesen waren, hatte er mir erlaubt,

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