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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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verpasst hatte, nachdem er mich zu Boden gestoßen hatte. Kannte ich ihn daher, und verwendete er jetzt vielleicht einen falschen Namen?
    »Du bist nicht zufällig Wally Miller, oder?«, fragte ich.
    »Nein. Wer soll das sein?« Tim wirkte ehrlich verwirrt.
    »Spielt keine Rolle«, wiegelte ich ab.
    Ich ging weiter am Ufer entlang, gefolgt von Tim. Er hatte alles Bedrohliche abgelegt und erzählte von seiner Mutter. Er vermisse sie schrecklich. Seine Eltern seien Pilzzüchter gewesen, und nach dem Tod seines Vaters hätten sie den Hof und die einzige Einkommensquelle verloren. Er mache sich Sorgen, wie seine Mutter jetzt seinen Tod verkrafte. Sie sei zu alt, um noch eine Arbeit zu finden. Tim sei alles gewesen, was ihr geblieben war, und jetzt sei auch er tot. Wie sie wohl damit zurechtkomme?
    An einem Frühlingsstreifen blieben wir vor einer Stelle stehen, an der gelbe Narzissen blühten und ein großer Baum entgegen allen Gesetzen der Schwerkraft über den Fluss ragte. Tim schien in diesem Moment verletzlich zu sein wie ein kleiner, verlorener Junge. Er tat mir leid.
    »Wünschst du dir manchmal, deinen Mann und deine Tochter wiederzusehen?«, fragte er.
    »Ständig.« Tränen traten mir in die Augen wie immer, wenn ich an Bo und Sarah dachte. »Ich vermisse sie so sehr, dass ich an manchen Tagen nicht einmal mehr aufstehen kann«, sagte ich. »Ich habe keine Fotos von ihnen, keine Briefe, nichts, was lebende Menschen normalerweise haben. Ich gäbe alles, um sie wiederzusehen.«
    »Ich vermisse meine Mutter sehr«, gestand Tim ein. »Als ich hierherkam, sagte mein Vater, wir könnten nicht zurückgehen. Wir könnten die Lebenden nicht sehen und nicht mit ihnen kommunizieren.«
    »Ich weiß«, bestätigte ich. »Meine Nana hat mir das Gleiche erzählt.«
    Tim brach ein paar Stückchen von der Rinde ab und warf sie in den Fluss. Wie kleine Schiffe trieben sie auf dem Wasser fort.
    »Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Ja, mir geht’s gut.«
    Doch er wirkte jetzt nervös, als hielte er etwas zurück.
    »Bist du sicher?«, bohrte ich nach.
    »Ja, aber …«
    »Was?«
    »Genau das habe ich getan. Ich bin zurückgegangen und habe die Lebenden besucht. Ich habe meine Mutter gesehen.«

18
    »Soll ich dich zu ihnen bringen?«
    Elymas erschien in einem Moment, den Tim Shelly vorhergesagt hatte – in einem Moment der Verzweiflung, in dem nach vorne zu gehen so unmöglich zu sein schien wie rückwärtszugehen. Dieser Moment kam für mich auf dem Schaukelstuhl in Sarahs Zimmer. Ich war nicht mehr zu Hause gewesen, da mein letzter Besuch, mit dem ich meinen Tod widerlegen wollte, diesen in jeder Hinsicht bestätigt hatte. Mein Zuhause lockte mich genauso mit dem Versprechen auf Freude und Hoffnung, wie dies ein Kasino bei einem Spielsüchtigen tut, dann aber nur für Schmerzen und Enttäuschung sorgt. Auch Tim war immer wieder zur Pilzzucht seiner Familie zurückgekehrt, die genauso verlassen war wie Sarahs Zimmer. Das machte Elymas’ plötzliches Erscheinen gleichzeitig überraschend und willkommen.
    Elymas war älter und weit weniger gut beieinander als Luas. Er hatte ein narbiges, langes Gesicht, und um seinen verwitterten Körper schlackerte eine grünkarierte Hose, die an den Füßen Falten warf und die er ein gutes Stück über der Hüfte mit einem modrigen braunen Gürtel festhielt. Ein mit Essen bekleckertes gelbes, falsch geknöpftes Hemd schlabberte um seine Schultern, so dass die linke höher zu sein schien als die rechte. Außerdem brauchte er, um sein Gleichgewicht halten zu können, einen Gehstock mit vier Gummifüßchen. Er war vollkommen blind. Seine glasigen weißen Augen sahen furchterregend aus.
    »Soll ich dich zu ihnen bringen?«, wiederholte er von der Tür zu Sarahs Zimmer aus. Er wirkte viel zu schwach, um mir diesen ungeheuerlichen Gefallen tun zu können. Ein leichter Wind würde reichen, um diesen Körper wie einen Fetzen Papier fortzuwehen.
    Ich hatte geweint, den Verlust meiner Tochter und meines Lebens betrauert. »Aber man sagt doch, es sei nicht möglich …«
    »Du hast nicht richtig zugehört«, erwiderte Elymas. »Es hieß, es sei nicht möglich, das Bewusstsein von einem Reich in das andere zu lenken. Aber niemand sagte, du könntest mit diesem Reich nicht interagieren. Soll ich dich zu deinem Mann und deiner Tochter bringen?«
    »Aber …«
    Der alte Mann klopfte kräftig mit dem Stock auf den Boden. »Zweifle nicht an meinen Worten! Viele warten auf meine Dienste. Sag

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