Was dein Herz dir sagt
wollte ihn beruhigen, konnte aber gegen das amüsierte Funkeln in ihrem Blick nichts unternehmen. Er war einunddreißig, drei Jahre älter als sie, und ein außergewöhnlich gut aussehender Mann, groß, mit breiten Schultern, von kräftiger, aber schlanker Statur, mit einem Gesicht wie ein griechischer Gott und der dazugehörigen Eleganz; sie hatte gehört, dass man ihn als in höchstem Maße gefährlich für jede Frau unter siebzig beschrieb. Er war allerdings nicht gefährlich für sie. »Ich muss dich um einen Gefallen bitten, wenn’s geht.«
Er runzelte die Stirn. »Was für einen Gefallen?« Er kam auf sie zu, blieb jäh stehen und hielt eine Hand hoch. »Warte, sag mir erst, dass du genug Verstand hattest, in einem voluminösen Mantel und tief verschleiert herzukommen, in einer schlichten, ganz gewöhnlichen Kutsche.«
Wieder musste sie gegen das Lachen ankämpfen. »Kein Mantel oder Schleier, aber ich habe zwei Lakaien mitgebracht. Die brauchte ich für die Kisten.«
»Welche Kisten?«
»Die mit Camdens Korrespondenz.« Sie lehnte sich zurück, sah ihn an, während er sie musterte. Dann schüttelte er den Kopf, als wollte er einen lästigen Gedanken vertreiben.
»Mit deiner Kutsche?«
»Nein, nicht meine - sie gehört Magnus Anstruther-Wetherby - aber sie ist schlicht, ohne Familienwappen oder Ähnliches.«
»Wo steht sie?«
Sie hob erstaunt die Brauen. »Sie wartet auf der Straße, natürlich.«
Timothy sah sie an, als wären ihr zwei Köpfe gewachsen, dann fluchte er halblaut und ging zur Klingelschnur, zog daran. Als sein Butler erschien, befahl er knapp: »Schicken Sie Mrs. Sutcliffes Kutsche auf die Rückseite des Hauses.«
Sobald der Butler gegangen war, schaute Timothy sie an. »Es ist verflixt gut, dass du nie versucht hast, Camden zu betrügen.«
Hochmütig zog sie die Brauen in die Höhe; sie war versucht, ihn zu fragen, woher er das wissen wollte. Er ließ sich in einen Sessel in der Nähe fallen und fixierte sie mit seinem Blick. »Und jetzt verrat mir, warum du Camdens Briefe hergebracht hast.«
Sie tat es; seine Miene verfinsterte sich bei jedem Satz weiter.
»Es muss doch jemanden geben, aus dem ich Informationen herauspressen kann ...«
Ihr gefiel der Ausdruck in seinen Augen gar nicht, ebenso wenig wie sein entschlossen vorgeschobenes Kinn. »Nein, das kannst du nicht.« Er schaute sie wieder an, und diesmal erwiderte sie seinen Blick fest. »Ich, Michael oder ein anderer Anstruther-Wetherby oder Therese Osbaldestone könnten das, aber nicht du. Du hast nichts mit Diplomaten zu schaffen und keine Beziehungen in diese Kreise. Wenn du auf einmal hineinplatzt, werden alle gleich argwöhnisch.«
Sie ließ ihm einen Augenblick Zeit, das zu verdauen, dann sagte sie: »Ich bin hergekommen, um dich um Hilfe zu bitten, denn ich benötige dich für etwas, das nur du kannst.« Sie wartete einen Herzschlag, dann fuhr sie fort: »Camdens Papiere - darin muss sich irgendwo die Antwort verbergen, aber ich will - ich kann nicht irgendjemand anderen damit betrauen. Du weißt besser als jeder andere, warum nicht.«
Wieder ließ sie ein paar Momente verstreichen, ehe sie weitersprach: »Ich lese die Tagebücher - sie sind voller Anspielungen, die nur ich oder Edward beziehungsweise einer seiner Vorgänger verstehen würde. Seine Briefe sind anders - genauer, formaler gehalten. Du bist der einzige andere Mensch, dem ich sie anvertrauen würde. Wenn du helfen willst, dann lies sie.«
Er war eindeutig ein Mann der Tat, aber auch, wie sie gut wusste, überaus intelligent und gebildet. Nach einem Augenblick seufzte er, nicht wirklich zufrieden, aber sich damit abfindend. »Wir suchen nach einem Hinweis auf eine unheilvolle politische Affäre mit Portugiesen, richtig?«
»Ja. Und nach dem, was Therese Osbaldestone gesagt hat, ist es vermutlich früh in seiner Zeit als Botschafter oder kurz vor seiner Berufung ins Amt gewesen.«
Er nickte. »Ich fange sofort an.« Sein Blick ging zur Zimmerdecke.
Sie verzog das Gesicht. »Es tut mir leid - ich habe nicht nachgedacht. Ich habe dich unterbrochen ...«
»Nein. Das ist nicht wichtig. Du und diese Sache dagegen schon.« Mit einer Grimasse sprach er weiter: »Und es wäre mir lieb, wenn du aufhören würdest, darüber nachzudenken, was du unterbrochen hast.« Seine Lippen wurden schmal, er durchbohrte sie mit einem strengen Blick. »Ich habe eine Bedingung.«
Sie hob die Brauen. »Welche?«
»Dass du unter keinen Umständen wieder herkommst. Wenn du
Weitere Kostenlose Bücher