Was dein Herz dir sagt
überlassen hatte, ob sie heiraten sollten oder nicht. Er hatte sich nicht von seinem Ziel verabschiedet, aber ihr Recht anerkannt, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Mit Bedacht hatte er ihr die Zügel ihrer Beziehung in die Hand gedrückt.
Was sie bis vor Kurzem nicht wirklich zu schätzen gewusst hatte, war, dass er ihr damit auch die Zügel über seine Karriere überlassen hatte.
In ein fast durchsichtiges Nachthemd gekleidet, unter einer hauchfeinen Seidenrobe, die nur gerade noch dem Anstand Genüge tat, trat sie vor das Fenster, dessen Vorhänge nicht zugezogen waren, und blickte in den Garten auf der Hausrückseite. Fenella räumte unterdessen auf.
Sie zwang sich, in die Zukunft zu schauen - dachte nach, ob sie sich einfach von der Strömung mitreißen lassen sollte. Sie malte sich aus, erwog, rief sich alles in Gedächtnis, was Therese Osbaldestone gesagt hatte, alles, was sie heute gesehen und verstanden hatte. Seufzend entschied sie sich dagegen - ihr Widerstreben war zu heftig, die Narben zu tief, um diesen Weg einzuschlagen - nicht noch einmal.
Es war letztes Mal so schrecklich falsch gewesen.
Doch sie war nicht länger strikt gegen eine Ehe, nicht mit Michael. Wenn sie Zeit hätten - genug, dass sie sich sicher sein konnte, dass das, was sie verband, auch das war, was sie glaubte. Dass das schwer zu beschreibende Etwas stark und - was am wichtigsten war - auch so beständig und auf Dauer angelegt war, wie sie es meinte, dann konnte sie sich gut vorstellen, frohen Herzens und überglücklich seine Frau zu werden.
Es gab kein anderes Hindernis - nur sie und die Lektion, die das Schicksal sie gelehrt hatte.
Nur ihre Erinnerungen - und ihre unausrottbare Wirkung.
Sie konnte nicht noch einmal in Ermangelung anderer Alternativen in eine Ehe einwilligen. Sie konnte es sich nicht erlauben, da mit keiner anderen Garantie als ihrer Hoffnung hineingezogen zu werden. Das erste Mal war sie freudig hineingesprungen und hatte sich von der Strömung davontragen lassen; sie hatte sie an ein Ufer getragen, das sie nicht Wiedersehen wollte.
Nicht dass ihr Leben mit Camden hart gewesen wäre; es hatte ihr nie an materiellem Wohlstand gefehlt. Doch sie war so allein gewesen. Ihre Ehe war eine leere Hülle gewesen, genauso wie das Haus in der Half Moon Street. Deswegen schob sie es auch immer wieder auf, dorthin zurückzukehren - weil, gleichgültig wie schön und wie vollgestopft mit Kostbarkeiten es war, sonst nichts da war.
Nichts Wichtiges. Nichts, um sich ein Leben aufzubauen.
Sie sah aus dem Augenwinkel, dass Fenella knickste. Sie entließ die Zofe mit einem geistesabwesenden Winken.
Sie wusste noch nicht, ob sie darauf vertrauen konnte. Ob die Liebe - und ja, sie glaubte, es war Liebe die zwischen ihr und Michael gewachsen war, von Dauer sein würde. Würde sie leben und wachsen, stark genug, der Eckstein ihrer Zukunft zu sein, statt sich wie Nebel in der Sonne innerhalb kürzester Zeit aufzulösen, so wie bei Camden?
Und dieses Mal war das Risiko viel größer. Die Vernarrtheit eines jungen Mädchens, die sie für Camden empfunden hatte und die unter anderen Umständen zu mehr hätte werden können, war nichts, nur ein schwacher Abglanz dessen, was sie nun mit achtundzwanzig Jahren für Michael empfand. Der Vergleich war lachhaft.
Wenn sie sich diesmal von der Strömung treiben ließ und ihre Liebe Schiffbruch erlitt, dann würde sie das am Boden vernichten. Würde viel tiefere Narben hinterlassen als damals, als Camden sich wenige Tage nach ihrer Hochzeit von ihr abgewendet hatte.
Das Türschloss klackte. Sie drehte sich um und schaute zu, wie Michael eintrat und die Tür hinter sich zuzog, wie er lässig, selbstsicher und zuversichtlich zu ihr kam.
Ihr blieb nur eines zu tun.
Sie straffte ihre Schultern, hob den Kopf. Blickte ihm in die Augen. »Ich muss mit dir reden.«
Michael wurde langsamer. Eine einzelne Kerze brannte neben dem Bett, zu weit weg, als dass er in ihren Augen lesen konnte; aber ihre Haltung warnte ihn. Sie glaubte nicht, dass ihm gefiele, was sie zu sagen wünschte. Er blieb vor ihr stehen, sah ihr suchend ins Gesicht - konnte nichts darin erkennen als Entschlossenheit. Er hob eine Braue. »Worüber?«
»Uns.« Ohne den Blick abzuwenden, holte sie tief Luft -zögerte. Dann sprach sie mit ausdrucksloser Stimme. »Als wir zuerst intim wurden, hast du mir gesagt, dass, ob wir heiraten oder nicht, allein meine Entscheidung ist. Ich bin davon ausgegangen, dass du das ernst gemeint
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