Was dein Herz nicht weiß
schwierig zu erklären. Die erste Liebe hinterlässt tiefe Spuren. Aber zum Glück kann ich solche Wunden heilen.«
»Und hast du sie je getroffen? Diese Frau aus Daegu?«, wollte Jae-Hwa wissen.
Soo-Ja wandte ihr Gesicht ab, aus Furcht, ihre Augen würden sie verraten.
»Nein, nie«, sagte Eun-Mee. »Lange konnte ich schönen Frauen, die auf der Straße an mir vorbeigingen, nicht ins Gesicht sehen, weil ich immer dachte, sie wäre es. Das hat mich regelrecht wahnsinnig gemacht. Ich hatte das Gefühl, sie könnte jeden Moment in mein Haus in Pusan spazieren und mir Yul wegnehmen, einfach so. Kannst du dir vorstellen, so zu leben? Deshalb wollte ich anfangs auch keine Kinder, ich wäre ihnen wohl eine verschrobene und neurotische Mutter gewesen. Jedenfalls vergaß ich die Frau schließlich, und die Jahre schritten fort. Und dann, eines Tages, kamen die Dinge plötzlich ins Rollen. Wir mussten Pusan überstürzt verlassen. Warum, das erzähle ich euch bei Gelegenheit … « Eun-Mees Stimme erstarb kurz. Dann sprach sie weiter. »Eines Tages kam ich unangemeldet in die Praxis. Und da beobachtete ich, wie er einen Zettel unter einem Notizbuch auf seinem Schreibtisch versteckte. Er hatte nicht gemerkt, dass ich es gesehen hatte. Auf dem Zettel standen der Name einer Frau und eine Telefonnummer. Ich wusste sofort, wer die Frau war, und dachte: »Gut, es ist Zeit für uns, nach Seoul zu gehen. Es ist Zeit für mich, diese Frau zu treffen .«
Dann wandte Eun-Mee sich zu Soo-Ja, und Soo-Ja sah es in ihren Augen: Sie wusste alles. Sie wusste, dass sie die Frau war. Wie hat sie es herausgefunden? Was für eine naive Frage. Paare wussten immer übereinander Bescheid. Eun-Mee hatte kein Wort gesagt und Soo-Ja darüber im Dunkeln gelassen; wahrscheinlich genoss sie ihren taktischen Vorteil. Lange hatte sie stillgehalten, bevor sie sich zu erkennen gab, bevor sie Soo-Ja ins Ohr flüsterte: Ich weiß, wer du bist . Soo-Ja erschauerte – so wie die Figuren in den klassischen Gespenstergeschichten, und Eun-Mees Erzählung erwies sich nun als eine solche.
In dem großen, voll besetzten Café fühlte Soo-Ja sich plötzlich, als säße sie in der Falle. Die letzten drei Wochen, in denen sie praktisch mit Eun-Mee zusammengelebt hatte, waren mit einem Mal verschwunden. Soo-Ja kam sich vor wie eine Schauspielerin, die ihren Monolog im falschen Stück hielt und sich dessen erst in der letzten Zeile bewusst wurde. Sie war so überwältigt von dem Wiedersehen mit Yul gewesen, dass sie Eun-Mees eifersüchtige Blicke nicht bemerkt hatte. Im Rückblick war es natürlich offensichtlich: Eun-Mees Feindseligkeit und ihre Aggressivität, die Soo-Ja einfach für einen Teil ihrer Persönlichkeit gehalten hatte, waren tatsächlich direkt auf sie gemünzt gewesen. Und dennoch hatte Eun-Mee ihr intime Einzelheiten anvertraut, vielleicht sogar versucht, sie nicht zu hassen. Einerseits wünschte sich Eun-Mee, dass Soo-Ja verschwinden möge, andererseits aber wollte sie sie in ihrer Nähe behalten, für den Fall, dass ihre Abwesenheit schwerer wiegen würde als ihre Anwesenheit. Eun-Mee saß genauso in der Falle wie Soo-Ja, nur in einer anderen dunklen Ecke.
»Was wirst du der Frau sagen, wenn du sie schließlich siehst?«, fragte Jae-Hwa.
»Ich werde ihr sagen, dass ich verteidigen werde, was mir gehört. Dass sie sich keine Illusionen machen soll. Männer verlassen ihre Frauen nicht wegen einer alten Schwärmerei. Sie soll bei ihrem eigenen Mann bleiben und sich um ihre eigene Ehe kümmern«, sagte Eun-Mee und schaute dabei auf Soo-Ja. Ihre Stimme war so scharf wie die Spitze einer Nadel.
Soo-Ja stand auf und entschuldigte sich, um die Toilette aufzusuchen. Sie konnte das Pochen in ihrem Kopf nicht länger ertragen.
Die kleine Frauentoilette bot nur Platz für eine Person. Soo-Ja trat ein und schloss die Tür hinter sich ab. Dann ging sie zum Handwaschbecken und ließ sich lange warmes Wasser über die Hände laufen. Dabei lief der Spiegel ein wenig an, und als sie ihn mit dem Handrücken wischte, sah sie plötzlich Yul hinter sich stehen und sie anschauen. Tränen rannen ihr über die Wangen; er trocknete sie ihr mit den Fingerspitzen. Die Feuchtigkeit blieb eine Sekunde auf seiner Haut stehen, dann absorbierte er ihre Tränen, absorbierte sie .
Soo-Ja stellte sich vor, wie Yul sie von hinten umarmte. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, und sie spürte, wie seine Nase sich an ihrem Hals rieb. Sie drehte sich um und ließ sich von ihm
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