Was dein Herz nicht weiß
berichten, was Eun-Mee da tat. Doch sie wollte nicht als Petze gelten, und außerdem würden die Beteiligten bestimmt alles abstreiten, und dann hätte Soo-Ja den Schwarzen Peter in der Hand, weil sie böse Gerüchte verbreitete. Sie konnte natürlich auch zu all den Frauen gehen und sie über Eun-Mees wahre Absichten informieren, aber es war nicht sicher, ob sie ihr auch glauben würden. Eun-Mee war offensichtlich eine Improvisationskünstlerin, die sich aus jeder Situation herausreden konnte. Als letzte Möglichkeit konnte Soo-Ja Eun-Mee auch direkt konfrontieren und ihr drohen, sie auffliegen zu lassen, sollte sie die Gruppe nicht verlassen. Würde Eun-Mee auf diesen Bluff hereinfallen?
Soo-Ja hatte keine Gelegenheit mehr, sich für eine der Möglichkeiten zu entscheiden, denn wie aus dem Nichts stand Eun-Mee plötzlich vor ihr. Sie nahm sich einen Stuhl und setzte sich an ihren Tisch. Mit wutverzerrtem Gesicht starrte sie Soo-Ja böse an. Dann legte sie beinahe zärtlich ihre Hand auf Soo-Jas und begann zu sprechen. Ihre Stimme klang so scharf und klar wie Steine, die in einen Fluss plumpsten.
»Wie raffiniert von dir, deine Tochter zum Spionieren zu schicken«, sagte Eun-Mee.
Hana tat zunächst, als hörte sie nichts, aber dann konnte sie sich nicht mehr beherrschen und sah Eun-Mee wütend an.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, gab Soo-Ja zurück.
»Was hat sie dir gesagt, Soo-Ja?«, fragte Eun-Mee scharf. »Was hat sie gehört?«
»Die Antwort zu deiner Frage kennst du schon, sonst wärst du nicht zu mir gekommen«, sagte Soo-Ja souverän.
»Ich mache mir einfach nur Sorgen, dass deine Tochter mit ihren wunderhübschen Öhrchen das, was ich gerade zu Frau Kang sagte, falsch verstanden hat. Ich habe ihr lediglich gewünscht, dass sie die nächste sei, die den Geldtopf bekommt. Sie hätte ihn wirklich verdient, weißt du.«
»Nicht so sehr wie ein paar andere hier«, widersprach Soo-Ja, die sich von Eun-Mees Charme nicht einwickeln ließ. »Da wäre zum Beispiel die Frau, über deren Schuhe du dich vorhin lustig gemacht hast. Oder Bog-yan Lim, deren Schneiderwerkstatt letzten Monat in Flammen aufgegangen ist, weil eine ihrer Angestellten eine Kerze unbeaufsichtigt hat brennen lassen. Wenn ich das Geld nicht bekomme, drücke ich ihr die Daumen.« Soo-Ja deutete diskret auf Frau Lim, eine ernst wirkende Frau mit langem dauergewelltem Haar, die ein paar Tische entfernt saß. Frau Lim hatte niemandem von dem Feuer erzählt; Soo-Ja war eine der wenigen, die davon wussten.
Eun-Mee verdrehte die Augen. »Für eine Schneiderin ist sie nicht sehr geschmackvoll gekleidet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie viele Kundinnen hat.« Dann wandte Eun-Mee sich wieder Soo-Ja zu und sagte kaum hörbar: »Wage es ja nicht, auch nur die kleinste Kleinigkeit weiterzuerzählen, am wenigsten meinem Mann. Wenn du unbedingt tratschen musst, dann mach es, nachdem die Stimmen ausgezählt sind und das Geld vergeben ist.«
Soo-Ja zog ihre Hand weg und setzte sich kerzengerade hin, während Eun-Mee weiterhin zu ihr vorgebeugt sitzen blieb, als wäre sie mitten in einer Verbeugung erstarrt, was ein wenig seltsam aussah.
»Eun-Mee, du gehst jetzt sofort zu Frau Oh und sagst ihr, dass du für heute aus der Wahl aussteigst. Nächsten Monat kannst du mitmachen, aber dann auf faire Art, ohne irgendwelche Absprachen.«
Eun-Mee unterdrückte ein Lachen. »Mutter von Hana, mit dieser Einstellung wirst du es nie zu etwas bringen. Die eine Hälfte der Teilnehmer mauschelt, und die andere besteht aus Dummköpfen.«
Jetzt war Soo-Ja wirklich wütend. War sie etwa einer der Dummköpfe?
»Du bist heute zum ersten Mal hier! Wie kannst du nur erwarten, gleich den Topf zu bekommen? Warum hältst du dich während der ersten paar Runden nicht einfach zurück?«
»Das ist nicht meine Art. Ich liebe große Auftritte«, säuselte Eun-Mee.
»Und warum willst du das Geld überhaupt? Dein Mann ist Arzt, der verdient doch genug.«
Eun-Mee seufzte. »Ja, er verdient viel, aber er gibt es gern für praktische Dinge aus wie Möbel und Haushaltsgeräte.« Eun-Mee war vermutlich so praktisch veranlagt wie ein Pfau. Sogar ihre Art zu sprechen wirkte verwöhnt; üppig wälzten sich die Silben in ihrem Mund herum.
»Aber er kauft dir doch schöne Kleider und Schmuck«, wandte Soo-Ja ein. »Ich glaube kaum, dass er dir irgendetwas verwehrt.«
»Eine Frau hat aber auch gern ihr eigenes Geld«, sagte Eun-Mee. In ihren Augen lag eine Müdigkeit, die
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